15.2.2018, Literatur-Café

 
Literatur-Café in Synagoge
 
Premiere gelungen: Jürgen Vollmer (von links), Ingeborg Drüner und Karl-Heinz Stadtler stellten zum ersten Literatur-Café in der Vöhler Synagoge ausgewählte Bücher vor. Foto: Marianne Dämmer
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Marianne Dämmer

Von Marianne Dämmer

Vöhl. Literatur zum Sonntagskaffee - das wird in der Vöhler Synagoge nun regelmäßig geboten. Die Premiere des Literatur-Cafés am Sonntag war ein Erfolg: Zahlreiche Zuhörer lauschten Ingeborg Drüner, Jürgen Vollmer und Karl-Heinz Stadtler, die wortgewandt ausgewählte Bücher vorstellten. Dabei genossen die Gäste Kaffee und selbst gebackenen Kuchen.

Die Bücher, die die drei Referenten vorstellten, finden sich auch in der Bibliothek, die unter dem Dach der Synagoge untergebracht ist. Der Förderkreis hat dort inzwischen mehr als 2000 Bücher zusammengetragen.

Dort zu finden sind Werke zur jüdischen Geschichte und Kultur auf Deutschland und weltweit bezogen sowie Ausführungen über Deportationen, Konzentrations- und Vernichtungslager, Nachkriegsprozesse und personelle Kontinuitäten bis in die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik hinein. Doch auch Belletristik, von heiter bis ernst, steht Lesern zur Verfügung. „Die Bücher können ausgeliehen werden“, betonte Förderkreis-Vorsitzender Karl-Heinz Stadtler bei der Begrüßung - mit dem Literatur-Café solle das Angebot bekannt gemacht werden.

Das Buch „Zu einer anderen Zeit - Porträt der jüdisch-deutschen Epoche“ von Amos Elon stellte Ingeborg Drüner, stellvertretende Vorsitzende des Förderkreises, vor. Es beginnt 1743 mit der Berufung des damals 14-jährigen Moses Mendelssohn nach Berlin, wo er unter schwierigen Verhältnissen Talmudstudien betrieb und sich zum Philosophen und Aufklärer bildete, und endet mit der Machtübernahme Hitlers und Hannah Arendts Flucht 1933. Amos Elon beleuchtet diese Periode der Kulturgeschichte mithilfe von Reportagen, Kurzporträts und Dialogen.

Weg des Menschen

Jürgen Vollmer stellte „Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre“ von Martin Buber vor. In dem kleinen Werk, das auf einen Vortrag von 1947 zurückgeht, beschreibt Buber, was in seiner Sicht für das Leben der ostjüdischen Chassidim wesentlich war, außerdem beschrieb es Jürgen Vollmer als Anstoß zur Selbstbesinnung. Karl-Heinz Stadtler hatte Thomas Buergenthals Buch „Ein Glückskind. Wie ein kleiner Junge zwei Ghettos, Auschwitz und den Todesmarsch überlebte und ein neues Leben fand“ ausgesucht. Darin erzählt der Autor seine Kindheitsgeschichte und schildert in einem Epilog, wie er in Amerika zu einem Anwalt für internationales Recht und Menschenrechte und schließlich Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag wird. Im Anschluss stellte Stadtler die Bibliothek vor.

Bücher können ausgeliehen werden, wenn die Synagoge sonntags geöffnet ist, wenn Veranstaltungen stattfinden und nach Voranmeldung bei Karl-Heinz Stadtler, Tel. 05635/1491. Die nächste „Offene Synagoge“ ist am Sonntag, 11 März, von 15 bis 16 Uhr.

 

10.2.2018, Land-Kultur-Perlen

Abschluss des Projekts Land-Kultur-Perlen im Landkreis Waldeck-Frankenberg

Mehr als Kühe und Kirmes: Lob für Kultur im ländlichen Raum

Förderung für ein besonderes Musikprojekt: Die Schüler der Klasse H8 der Mittelpunktschule Goddelsheim wurden bei der Gründung einer Stomp-Musikgruppe unterstützt, die mit Alltagsgegenständen Musik macht. Fotos:  Renner

Waldeck-Frankenberg. Das hessische Modellprojekt Land-Kultur-Perlen startete im vergangenen Jahr in Waldeck-Frankenberg. 22 kleinere Projekte der kulturellen Bildung wurden mit insgesamt 23 000 Euro gefördert. Jetzt zog Hessens Kunst- und Kulturminister Boris Rhein beim Abschluss in Vöhl eine positive Bilanz.

Die kulturelle Bildung im ländlichen Raum sei ihm eine Herzensangelegenheit, sagte der Minister. Die Vielfalt in Waldeck-Frankenberg sei beeindruckend. „Was ich eben gesehen habe, macht mich glücklich“, sagte er, nachdem er sich die Ergebnisse der Projekte in der Vöhler Henkelhalle angeschaut hatte.

Die Fokussierung auf Kunst und Kultur in urbanen Räumen sei eine „Fehlentwicklung“. „Das müssen wir ändern und den Blick auf den ländlichen Raum weiten.“ Man hoffe, Impulse gesetzt zu haben, sagte Rhein, der auch in Zukunft eine Unterstützung der kulturellen Bildung versprach. „Der ländliche Raum ist ein Raum, in dem es sich zu leben lohnt. Ohne wäre Hessen ein armes Land“, sagte der Politiker.

Umdenken in Ministerien

Landrat Dr. Reinhard Kubat freute sich, dass der Auftakt des Modellprojekts in Waldeck-Frankenberg stattfand. Die 22 Projekte seien erfolgreich und von großer Nachhaltigkeit geprägt. „Die Projekte schaffen Sinnstiftendes für die Gemeinschaft“, lobte Kubat. Auch im Nachmittagsunterricht an den Schulen im Landkreis solle mehr Raum für Kultur geschaffen werden, kündigte er an.

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Blick auf die Ergebnisse: Minister Boris Rhein mit Karoline Petersen von der Künstlergruppe Artur in Korbach.

Vöhls Bürgermeister Matthias Stappert sagte, dass die Kultur im ländlichen Raum zwar professionell sei, aber von Ehrenamtlichen getragen werde. Er hoffe, dass das Projekt zu einem Umdenken in den Ministerien führe, wo Kultur häufig nur als Einsparmöglichkeit gesehen werde. Mit dem Projekt Land-Kultur-Perlen habe man vieles richtig gemacht, sagte Lothar Behounek, Vorsitzender der Landesvereinigung Kulturelle Bildung. Er lobte „Tatkraft, Engagement und Herzblut“ der Menschen im Landkreis. Behounek übergab eine Skulptur an einen Vertreter des Landkreises Fulda als Zeichen für die zweite Förderrunde des Modellprojekts. In diesem Jahr werden im Landkreis Fulda zahlreiche Vorhaben aus dem Bereich der kulturellen Bildung unterstützt.

Dr. Birgit Wolf, Autorin und Lehrbeauftragte aus Berlin, referierte darüber, dass Breitenkultur im ländlichen Raum „von allen für alle“ gemacht werde, den Gemeinsinn stärke und Identität stifte. Der ländliche Raum sei mehr als Kühe und Kirmes. Die Aktiven vor Ort bräuchten Beratung, unter anderem darüber, welche Fördermöglichkeiten es gebe und welche Qualifikationsmöglichkeiten. Ein Kümmerer sei nötig. Auch Kooperationen und Kommunikation seien entscheidend, und das in den Gemeinden und auch darüber hinaus. Allen Aktiven sollte Anerkennung und Aufmerksamkeit zuteil werden.

Diese Projekte im Landkreis wurden gefördert

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Dr. Birgit Wolf

Diese 22 Vereine, Gruppen, Personen und Organisationen im Landkreis bekamen eine Mikroförderung: Aktion für behinderte Menschen Waldeck-Frankenberg, Reinhard Mehles „Storytelling“, Verein zur Förderung der Altstadt von Bad Wildungen, Ortsbeirat Frohnhausen, Förderverein des Klosters Flechtdorf, Stefan Tiepermann „Grenzen überwinden“, Heimatverein Allendorf/Hardtberg, Stadt Frankenberg, Heimat- und Kulturverein Geismar, Musikschule Frankenberg, Klosterfreunde Haina, Studio Kathaco, Karoline Petersen „Kunststuhl“, Stadtarchiv Korbach, Burg Lichtenfels, Mittelpunktschule Goddelsheim, Stadt Rosenthal, MGV Liedertafel Twiste, Förderkreis Synagoge Vöhl, Rückblende – Gegen das Vergessen Volkmarsen, Förderverein WaJuKu Waldeck und Wilhelm Sauer „Runter vom Sofa“.

Einen Überblick über alle geförderten Projekte und weitere Infos zum Modellprojekt gibt es auch auf www.landkulturperlen.de.

29.1.2018, Lyrik gegen das Vergessen


Schreiben zum Überleben 

Lyrik gegen das Vergessen am Holocaust-Gedenktag in der Vöhler Synagoge
Lyrik gegen das Vergessen

In der Vöhler Synagoge: Referent Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar und Initiatorin Barbara Weiler. 


WLZ © Ursula Trautmann 29.01.18 18:16

 

Vöhl. Auf den Tag genau 73 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts fand am Samstagabend in der ehemaligen Vöhler Synagoge eine besondere Veranstaltung statt. Der Titel lautete „Lyrik gegen das Vergessen“

Karl-Heinz Stadtler, Vorsitzender des Förderkreises Synagoge in Vöhl, hieß dazu die Besucher willkommen. Als Initiatorin der Veranstaltung sowie als Mitherausgeberin des Buches „Lyrik gegen das Vergessen“, war die frühere SPD-Europa-Abgeordnete Barbara Weiler zugegen.

Sie berichtete kurz über das Zustandekommen des Buches, für das der Germanist Michael Moll zu Beginn der 1990er Jahre die Beiträge gesammelt hatte.

Es sind Texte, Gedichte und Lieder von Häftlingen in Ghettos und Konzentrationaslagern. Sie schrieben zum Überleben, selbst Kinder verfassten Texte. Doch alle dichteten unter Todesgefahr und unter primitivsten Bedingungen. Sie ritzten Worte in die Wände oder nutzten ihr Blut als Farbe. Schreiben war für viele Häftlinge wichtig, um nicht den Verstand zu verlieren, erklärte Schauspielerin und Sprecherin Ursula Illert dem Publikum. Sie las eine Auswahl der erschütternden, beklemmenden, in den Konzentrationslagern entstandenen Texte.

 

Hoffnung und Ängste

Hoffnung, Ängste, Trostlosigkeit, das ganze Grauen der damaligen Zeit kam darin zum Ausdruck. Das Warum für die inhaftierten Menschen lautete: „Weil wir Juden sind.“ In einem Kinderreim von Ilse Weber in Theresienstadt heißt es: „Ri ra rutsch, wir fahren mit der Leichenkutsch...“ Mit ihren selbst komponierten, düsteren und klagenden Klängen bereicherte Anka Hirsch die Lesungen auf dem Violincello.

Im Anschluss sprach Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar, ehemaliger Hochschullehrer in Kassel und Mitbegründer des Vöhler Förderkreises, zum Thema Nationalsozialismus in Nordhessen. Er bot anhand von Briefen und Zeugnissen „Worte und Stimmen von mutigen Menschen“ dar, die sich in unserer Region offen gegen den Nationalsozialismus wandten. Beispiele kamen unter anderem aus dem Schutzhaftlager Breitenau bei Guxhagen, wo schon 1933 Menschen inhaftiert waren und zutiefst gedemütigt wurden.

Widerstand auch heute

Der Professor plädierte in der Synagoge für Widerstand auch heute, wenn es um Ungerechtigkeiten geht. Auf die Zukunft gerichtet müssten Demokratie und menschliches Miteinander die Ziele sein. – Dazu hatten auch die letzten Worte des von Ursula Illert vorgetragenen Schlussgedichtes gepasst: „Vergesst nur nicht...!“ (ut)