19.4.2023, Freiwillig für andere eingesetzt

 

Freiwillig für andere eingesetzt

Daniela Sommer überreicht die Auszeichnung „Du bist Spitze“ an 18 Frauen

„Du bist Spit­ze“: An­läss­lich des Welt­frau­en­ta­ges hat die SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Dr. Da­nie­la Som­mer (vorn, 4. von links) ver­dien­te Frau­en in Bat­ten­berg aus­ge­zeich­net. Oberst a. D. Jür­gen Damm (2. von links) nahm die Aus­zeich­nung stell­ver­tre­tend für die ver­hin­der­te An­drea Drais­bach ent­ge­gen. Fo­to: Tho­mas Hoff­meis­ter

Wal­deck-Fran­ken­berg – „Du bist Spit­ze!“ hei­ßt ei­ne Aus­zeich­nung für eh­ren­amt­lich en­ga­gier­te Frau­en aus Wal­deck-Fran­ken­berg, die die SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Dr. Da­nie­la Som­mer seit 2015 je­des Jahr an­läss­lich des Welt­frau­en­ta­ges ver­gibt. In die­sem Jahr hat­te Da­nie­la Som­mer, zu­sam­men mit der Frau­en­be­auf­trag­ten des Land­krei­ses, Bea­te Fried­rich, der stell­ver­tre­ten­den Kreis­tags­vor­sit­zen­den Iris Ruh­we­del so­wie der frau­en­po­li­ti­schen Spre­che­rin der SPD-Land­tags­frak­ti­on, Na­di­ne Gers­berg, 18 Frau­en aus dem ge­sam­ten Land­kreis zur Eh­rung in das his­to­ri­sche Bat­ten­ber­ger Rat­haus ein­ge­la­den, in dem sich auch das Stadt­mu­se­um be­fin­det. Die eh­ren­amt­li­che Mu­se­ums­lei­te­rin Eli­sa­beth Sku­pin stell­te das Mu­se­um kurz vor.

„Un­se­re Ge­mein­schaft lebt von Men­schen wie Ih­nen“, rief Bat­ten­bergs Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Klein den Frau­en in ei­nem Gruß­wort zu.

Un­ter den 18 Preis­trä­ge­rin­nen wur­den vier Frau­en be­son­ders her­aus­ge­ho­ben. An­drea Drais­bach (Ak­ti­on für be­hin­der­te Men­schen Wal­deck-Fran­ken­berg) und Or­trud Gelb­ke (Ta­fel Fran­ken­berg) er­hiel­ten ne­ben ei­ner Ur­kun­de auch ei­nen Gut­schein für ei­ne Rei­se nach Ber­lin. In die Lan­des­haupt­stadt Wies­ba­den rei­sen dür­fen Bri­git­te Klein (Ver­ein Rück­blen­de – Ge­gen das Ver­ges­sen, Volk­mar­sen) und Chris­tel Eck­hard (Hatz­feld).

„Sie al­le sind Spit­ze!“, be­ton­te Da­nie­la Som­mer in ih­rem Gruß­wort. Es ge­be sehr vie­le Frau­en, die sich ganz selbst­ver­ständ­lich für an­de­re Men­schen ein­setz­ten, oh­ne da­für An­er­ken­nung ein­zu­for­dern. „Sie ma­chen das, weil Sie es ma­chen wol­len“, sag­te Da­nie­la Som­mer. Mit ih­rem En­ga­ge­ment sei­en die ge­ehr­ten Frau­en auch Vor­bil­der für die jün­ge­re Ge­ne­ra­ti­on.

Die Na­men der ge­ehr­ten Frau­en (nicht al­le wa­ren an­we­send): An­drea Drais­bach (Bad Arol­sen) ar­bei­tet seit 2016 in der Ak­ti­on für be­hin­der­te Men­schen Wal­deck-Fran­ken­berg. Sie be­treut un­ter an­de­rem die Home­page und or­ga­ni­siert Kon­zert­ver­an­stal­tun­gen. Für den Ver­ein für be­hin­der­te Men­schen nimmt sie jähr­lich et­wa 40 bis 50 Au­ßen­ter­mi­ne wahr. Or­trud Gelb­ke (Fran­ken­berg) ist Mit­glied im Vor­stand der Ta­fel Fran­ken­berg. Trotz ih­rer 81 Jah­re ist sie seit 2006 zwei­mal in der Wo­che ganz­tags für die Fran­ken­ber­ger Ta­fel ak­tiv. Sie ko­or­di­niert den Ein­satz von 10 bis 12 eh­ren­amt­li­chen Hel­fern, die ge­spen­de­te Le­bens­mit­tel für hilfs­be­dürf­ti­ge Men­schen sor­tie­ren.

Bri­git­te Klein (Volk­mar­sen) ist seit mehr als 50 Jah­ren eh­ren­amt­lich tä­tig, un­ter an­de­rem im Turn­ver­ein Volk­mar­sen. Ge­mein­sam mit ih­rem Ehe­mann Ernst hat sich Bri­git­te Klein seit 1990 in­ten­siv um Kon­takt zu jü­di­schen Ho­lo­caust-Über­le­ben­den und um die Er­in­ne­rungs­ar­beit ge­küm­mert. Un­ter an­de­rem hat­te sie 300 Brie­fe an po­ten­zi­el­le Spon­so­ren ge­schrie­ben und 36 000 DM an Spen­den ein­ge­wor­ben, mit de­nen jü­di­schen Gäs­ten aus al­ler Welt ein Auf­ent­halt in Volk­mar­sen er­mög­licht wor­den war.

Chris­tel Eck­hard (Hatz­feld) war un­ter an­de­rem 16 Jah­re im Vor­stand des Kin­der­freun­de­ver­eins, 12 Jah­re im Vor­stand des TSV Hatz­feld, im Orts­bei­rat so­wie im Hatz­fel­der Stadt­par­la­ment tä­tig.

Für ihr En­ga­ge­ment im Fran­ken­ber­ger Stadt­teil Schreu­fa (un­ter an­de­rem Nuh­ne­gän­se) wur­den An­net­te Dry­lo, Chris­ti­na Böh­le, Jas­min Glar und Il­se Lud­wig aus­ge­zeich­net.

Ger­hild Buß (Fran­ken­berg) ist seit 2009 Vor­sit­zen­de des VdK-Orts­ver­ban­des Fran­ken­berg. Sie ist auch Stadt­füh­re­rin bei den Fran­ken­berg Thea­ter-Stadt­füh­run­gen.

In­ge­borg Kirch­hai­ner (Fran­ken­berg) en­ga­giert sich seit 2013 eh­ren­amt­lich im Treff­punkt. In­ge Meiß­ner (Kor­bach) sam­melt je­des Jahr Weih­nachts­ar­ti­kel, ver­kauft die Ar­ti­kel und spen­det das Geld für die Kin­der­krebs­hil­fe. Bir­git Stadt­ler (Vöhl) en­ga­giert sich, wie ihr Mann Karl-Heinz, für die Syn­ago­ge Vöhl. Auch bei der Part­ner­schafts­ver­ei­ni­gung Vöhl-Mou­chard ist sie seit 35 Jah­ren ak­tiv. Sa­rah Küp­fer (Vöhl) ist im För­der­kreis Syn­ago­ge Vöhl für die Or­ga­ni­sa­ti­on von Ge­denk­ver­an­stal­tun­gen und Kon­zer­ten ver­ant­wort­lich.

Hei­de Schmutz­ler (Bad Wil­dun­gen) hilft Neu­bür­gern aus Russ­land mit Sprach­kur­sen und be­treut ei­nen Se­nio­ren­kreis in Alt­wil­dun­gen. Chris­ta Kurz (Bad Wil­dun­gen) hat Kin­dern über 40 Jah­re kos­ten­los Flö­ten­un­ter­richt ge­ge­ben. Dag­ma Kun­cke (Sach­sen­hau­sen) hat sich stark bei der In­te­gra­ti­on von Flücht­lin­gen ein­ge­bracht und ei­nen Li­te­ra­tur­kreis ge­führt. San­dy Freu­den­stein (Bad Wil­dun­gen) küm­mert sich um die Wal­de­cker Dis­tel­le­rie und hilft im „Worscht­kopp“ mit.

Last but not least wur­de auch Eli­sa­beth Sku­pin aus Bat­ten­berg für ih­re Ar­beit als eh­ren­amt­li­che Lei­te­rin des Bat­ten­ber­ger Stadt­mu­se­ums aus­ge­zeich­net. Ih­re be­son­de­re Auf­merk­sam­keit ge­hört da­bei dem bri­ti­schen Kö­nigs­haus.  off

28.3.2023, Gedenken am Schabbat-Abend

 

Gedenken am Schabbat-Abend

Schülerinnen erinnern in Synagoge mit Musikrojekt an Ermächtigungsgesetz

Lie­der von Mut und Hoff­nung: An den Tag vor 90 Jah­ren, als Hit­ler mit dem „Er­mäch­ti­gungs­ge­setz“ Ge­wal­ten­tei­lung und De­mo­kra­tie in Deutsch­land be­en­de­te, er­in­ner­ten mu­si­ka­lisch Eder­tal­schü­le­rin­nen mit In­itia­to­rin Eve­lyn Frie­sen (3. von rechts) und Mu­sik­leh­re­rin Sa­rah Küp­fer (rechts) in der Vöh­ler Syn­ago­ge. Fo­tos: Karl-Her­mann Völ­ker

Vöhl/Fran­ken­berg – Es war ein be­son­de­rer Schab­bat­abend des Ge­den­kens in der Vöh­ler Syn­ago­ge. „Heu­te vor 90 Jah­ren be­gann ei­ne ver­hee­ren­de Di­men­si­on des Deut­schen Rei­ches, ei­ne Selbst­er­mäch­ti­gung mit dia­bo­li­schen Fol­gen“, er­klär­te Mat­thi­as Mül­ler, Leh­rer an der Fran­ken­ber­ger Eder­tal­schu­le, als er zu Be­ginn Hit­lers „Er­mäch­ti­gungs­ge­setz“ vom 24. März 1933, sei­nen his­to­ri­schen Hin­ter­grund, das letz­te ver­zwei­fel­te Auf­bäu­men des SPD-Ab­ge­ord­ne­ten Ot­to Wels und den be­gin­nen­den NS-Ter­ror in Wal­deck-Fran­ken­berg be­schrieb.

Da­bei nann­te er auch die Na­men von ers­ten po­li­tisch Ver­folg­ten wie Sieg­mund Kat­zen­stein oder Ri­chard Roth­schild in Vöhl, ver­wies auch auf die Mil­lio­nen Op­fer der Sho­ah. „Ich ver­nei­ge mich in De­mut vor ih­nen“, sag­te Mül­ler. Hoff­nungs­voll sah er trotz al­ler ak­tu­el­len For­men von Ge­walt und „Er­mäch­ti­gung“ aber auch ei­ne Kul­tur des Er­in­nerns, wie sie in der al­ten Syn­ago­ge Vöhl ge­pflegt wird, und zi­tier­te am En­de den Aa­rons­se­gen.

Da­zu woll­te Eve­lyn Frie­sen, Schü­le­rin der Eder­tal­schu­le in Fran­ken­berg, im Rah­men ih­rer mu­sik­päd­ago­gi­schen Aus­bil­dung an ei­ner Mu­sik­schu­le in Süd­hes­sen mit ei­nem selbst ent­wi­ckel­ten Mu­sik­pro­jekt und ei­ge­nen Ar­ran­ge­ments ih­ren per­sön­li­chen Bei­trag leis­ten.

Sie ge­wann da­für Mit­schü­le­rin­nen ih­res Gym­na­si­ums so­wie die Mu­sik­leh­re­rin Sa­rah Küp­fer (Quer­flö­te, Sa­xo­fon) und den Mu­sik­leh­rer Mat­thi­as Mül­ler (Kla­vier). Es be­glei­te­ten und un­ter­stütz­ten sie mit sicht­ba­rer Spiel­freu­de Lau­ra Staudt (Quer­flö­te), El­len Glotz (Gei­ge und Quer­flö­te), Jo­sina Schütz (Quer­flö­te), Li­sa Rich­ter (Cel­lo) und Do­ro­thee Schwarz (Quer­flö­te).

Aus­ge­wählt für ihr mu­si­ka­li­sches Ge­den­ken an die Op­fer der NS-Dik­ta­tur hat­te Eve­lyn Frie­sen, die auch durch das Pro­gramm führ­te, be­wusst „kei­ne Kon­zert­stü­cke“. Aber sie woll­te den­noch ver­mit­teln, „dass Mu­sik ver­bin­den und er­in­nern, Mut und Freu­de ma­chen kann“. Es er­klan­gen das me­lan­cho­li­sche The­ma aus „Schind­ler’s List“, das hoff­nungs­vol­le is­rae­li­sche Tra­di­tio­nal „Tree Of Life“ oder Va­ria­tio­nen aus „La Vi­ta è Bel­la“ von Ni­co­la Pio­va­ni, ar­ran­giert von Eve­lyn selbst. In bes­ter, vom Kla­vier an­ge­trie­be­ner Swing­ma­nier ließ das En­sem­ble mit Sän­ge­rin Le­ni Hoff­mann das jid­di­sche Mu­si­cal­stück „Bei mir bist du schön“ auf­strah­len. Das Ghet­to-Lied von Le­jb Ro­sen­thal „Mir le­ben ej­big“ („Wir le­ben ewig, es brennt die Welt“) drück­te aus, was Eve­lyn Frie­sen als Ziel for­mu­liert hat: „Auf dass so et­was nie wie­der pas­siert!“

Fröh­li­che Lie­der von En­geln als Bo­ten des Frie­dens („Shalom Alei­chem“) und Glück („Ma­zel Tov!“) um­rahm­ten am En­de die klei­ne Kid­dusch-Fei­er, bei der Sa­rah Küp­fer nach jü­di­schem Ri­tus ei­nen Be­cher Wein und die Sab­bat­bro­te („Chal­lot“) seg­ne­te und da­mit den Schab­bat er­öff­ne­te. Al­le Kon­zert­gäs­te in der Syn­ago­ge konn­ten dar­an teil­neh­men.

Es gab am En­de lang an­hal­ten­den, herz­li­chen Bei­fall von al­len Be­su­chern und Karl-Heinz Stadt­ler, aber auch von In­itia­to­rin Eve­lyn Frie­sen selbst, die sich mit Ro­sen bei al­len Kol­le­gin­nen für ih­re tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung be­dank­te.

11.3.2023, Flamenco passt perfekt zu Finnland

 

Flamenco passt perfekt zu Finnland

Anna Murtola und Joonas Widenius mit überzeugendem Auftritt in Vöhl

Perfekte Harmonie: Das Duo Anna Murtola und Joonas Widenius aus Finnland begeisterte in der Vöhler Synagoge mit ihrer Flamencomusik. Foto: Barbara Liese

Vöhl – „Eine Frage hören wir jeden Tag“. Joonas Widenius schaut von seiner Gitarre hoch und lacht. „Finnland und Flamenco. Passt das zusammen? Egal wo wir sind. Selbst in Finnland sind die Menschen immer noch erstaunt, aber auch neugierig und interessiert, wenn sie hören welche Musik wir machen. Für uns selbst ist der Flamenco längst ein Teil unserer Identität geworden.“

Ursprünglich war der Flamenco-Gesang unbegleitet und nur von Tönen unterstützt, die man mit dem Körper erzeugen kann. Man klatschte in die Hände, stampfte mit den Füßen oder schnipste mit den Fingern. Dann wurde es üblich, die Sängerin mit der Gitarre zu begleiten. Immer mehr aber lösten sich die Flamenco-Gitarristen von dieser reinen Begleitfunktion und entwickelten den Flamenco zu einer virtuosen, eigenständigen Musik.

Seit gut 20 Jahren stehen Anna Murtola und Joonas Widenius gemeinsam auf der Bühne. Von Beginn an spürt der Zuschauer in der Synagoge, dass tiefe musikalische Verständnis der beiden Musiker. Es scheint als seien sie mit ihrem Rhythmus und ihren Interpretationen in einem intensiven musikalischen Dialog und vermieden jedes Klischee.

Nach einem beeindruckenden und hochklassigen Gitarrensolo von Joonas Widenius betritt Anna Murtola die Bühne. Sie trägt ein schwarzes Kleid, ist zurückhaltend geschminkt und füllt mit ihrer Stimme sofort den Raum. Ihre Bewegungen sind klein. Sie hebt ihr Kinn, strafft die Schultern, das Händeklatschen und die typische Fußtechnik, der Zapateo, helfen, im Rhythmus zu bleiben. Sie verlässt sich auf ihre Stimme, die die kleine Synagoge bis in die hinterste Ecke ausfüllt, aber nie überfordert.

Sie singt von Liebe und Kummer, Trauer und Tod, von Vergänglichkeit und Erinnerung, von der Natur und Erinnerungsorten. Zu jedem Song erzählt sie zum besseren Verständnis eine kurze Geschichte. Man muss als Zuhörer nicht alles verstehen, denn in ihrer Stimme spiegelt sich die Mischung all dieser Lebensgefühle.

Die Gitarre bleibt mal im Hintergrund, drängt sich dann nach vorn und übernimmt den Gesang. Es ist die perfekte Kommunikation zweier Künstler, die in der eigentlich fremden Gesangskultur auch ihre eigenen musikalischen Wurzeln wieder finden.

Es gelingt ihnen, traditionelle finnische Lieder mit dem Flamenco zu kombinieren. Ohne die direkte Übersetzung des Originals und mit musikalischer Interpretation entsteht so eine Verbindung zweier unterschiedlicher Kulturen, die sogar die finnische Sprache romantisch und poetisch erscheinen lässt.

Das Publikum in der Synagoge ist begeistert, nimmt neben der Musik des Duos auch das leise „Gespräch“ untereinander mit den Augen, den Gesten, der Körperhaltung und ihrem Lächeln wahr. – Zurück zum Einstieg: „Finnland und Flamenco. Passt das zusammen?“ Diese Frage wird nach dem Konzert niemand mehr stellen. Jeder hat erfahren, es passt perfekt.

28.3.2023, Vielfältige Klezmer-Musik begeistert

 

Vielfältige Klezmer-Musik begeistert

Helmut Eisel und Birke Falkenroth in Vöhler Synagoge mit Applaus belohnt

„Klez­mer im El­fen­pa­last“: Hel­mut Ei­sel und Bir­ke Fal­ken­roth fas­zi­nier­ten das Pu­bli­kum in der Vöh­ler Syn­ago­ge mit zar­tem Klang­zau­ber. Fo­to: Pe­ter Frit­schi

Vöhl – „Klez­mer im El­fen­pa­last“: Be­reits der Ti­tel des Pro­gramms, mit dem der Kla­ri­net­tist Hel­mut Ei­sel und die Har­fe­nis­tin Bir­ke Fal­ken­roth in der ehe­ma­li­gen Vöh­ler Syn­ago­ge gas­tier­ten, ist ei­ne Her­aus­for­de­rung und zwingt zum Nach­den­ken.

„Klez­mer“ hei­ßt wört­lich aus dem He­bräi­schen über­setzt „Ge­fäß des Lie­des“, und was hat es mit dem „El­fen­pa­last“ auf sich? El­fen sind Na­tur­geis­ter, Fa­bel­we­sen aus der nor­di­schen My­tho­lo­gie. Für die Zu­hö­rer und Zu­hö­re­rin­nen, die ein­tauch­ten in die au­ßer­ge­wöhn­li­che mu­si­ka­li­sche Dar­bie­tung, hat sich ei­ne Ant­wort mit Si­cher­heit er­schlos­sen.

Schon Kö­nig Da­vid spiel­te einst Har­fe, um sei­ne Freun­de und Gäs­te zu un­ter­hal­ten. Da­mit wur­de er zum Vor­bild für al­le Klez­mer-Mu­si­ker. Dem für sei­ne sti­lis­ti­sche Viel­falt be­rühm­ten Welt­klas­se-Kla­ri­net­tis­ten Hel­mut Ei­sel war die Har­fe stets ei­ne ver­lo­cken­de Her­aus­for­de­rung und ist jetzt zu ei­ner fas­zi­nie­ren­den mu­si­ka­li­schen Ent­de­ckung ge­wor­den.

Ge­mein­sam mit der Har­fe­nis­tin Bir­ke Fal­ken­roth schlug er am Sams­tag­abend in bril­lan­ter Wei­se mit dem Kon­zert „Klez­mer im El­fen­pa­last“ wun­der­bar sen­si­ble Pfa­de ein. Von el­fen­zar­ten Klän­gen um­spielt, lies Hel­mut Ei­sel die Kla­ri­net­te in Bal­la­den hin­ge­bungs­voll sin­gen und öff­ne­te die Her­zen der Zu­hö­rer. Das Duo hat­te auch auf­re­gend fet­zi­ge Ti­tel zwi­schen It­amar Freilach (aus dem Jid­di­schen: „der Leb­haf­te, der Fröh­li­che“) und Tan­go der 30er Jah­re im Pro­gramm.

Die ers­ten bei­den Stü­cke wa­ren der Ukrai­ne ge­wid­met. Be­gon­nen wur­de mit ei­ner In­ter­pre­ta­ti­on der Na­tio­nal­hym­ne „Scht­sche Ne Wmer­la Ukra­ji­na“ „Noch ist die Ukrai­ne nicht ge­stor­ben“, es folg­te das tra­di­tio­nel­les Stück „Odes­sa Bul­gar“,, be­ar­bei­tet von Hel­mut Ei­sel. Der er­klär­te da­zu: „Der Bul­gar ist rhyth­misch iden­tisch mit dem „Freilach“ und be­deu­tet „fröh­lich“, und wir wün­schen den Men­schen in Odes­sa, dass sie bald wie­der frei, un­be­schwert und fröh­lich le­ben kön­nen.“

Mit „Pray­er“ ver­schaff­te Ernst Bloch in sei­ner Sui­te „From Je­wish Life“ ei­nen ty­pi­schen jü­di­schen Ge­bets­ge­sang. „Mi Ha‘ish“ ist ei­ne An­leh­nung an Psalm 34 und hei­ßt „Wer ist er“.

Es folg­ten wei­te­re Stü­cke, die Hel­mut Ei­sel ar­ran­giert hat, „Klez­mer im El­fen­pa­last“, „Ron­ja“, Sam­mys „Freilach“, „Ca­fé 1930“, ein his­to­ri­scher Tan­go von As­tor Piaz­zolla, dass all­seits be­kann­te Stück „Pe­ti­te Fleur“ von Sid­ney Be­chet, das Hel­mut Ei­sel, wie er sag­te, von sei­nem 6. Le­bens­jahr mu­si­ka­lisch ge­prägt hat, und zum Ab­schluss „Ba­ro­que Fla­men­co“ von De­bo­rah Hen­son-Co­nant, „Two Si­des of Je­ru­sa­lem“ und Yorams „Freilach“

Die Per­kus­si­on-Ele­men­te der Har­fe, die vor­wie­gend durch au­ßer­halb des me­lo­di­schen und to­na­len Be­reichs lie­gen­de Rhyth­men ge­prägt sind, ha­ben die Luft zum Flir­ren ge­bracht.

So fas­zi­nier­ten Ei­sel und Fal­ken­roth mit be­tö­rend zar­tem Klang­zau­ber und Me­lo­di­en zum Träu­men eben­so wie mit tän­ze­ri­schem Elan, mit vir­tu­os ver­spiel­ten Ton­kas­ka­den und ge­witz­ten Dia­lo­gen.

Die her­vor­ra­gen­de Akus­tik in der Syn­ago­ge trug zu dem mu­si­ka­li­schen Oh­ren­schmaus ent­schei­dend mit bei. Das Pu­bli­kum be­dank­te sich für das dar­ge­brach­te Mu­sik­me­nü mit an­hal­ten­dem to­sen­den Ap­plaus.

4.3.2023, Verdienstkreuz für Karl-Heinz Stadtler

 

Verdienstkreuz für Karl-Heinz Stadtler

Aus­ge­zeich­net: der Vöh­ler Karl-Heinz Stadt­ler. Fo­to: pr

Mit dem Bun­des­ver­dienst­kreuz hat die hes­si­sche Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin An­ge­la Dorn den Vor­sit­zen­den des För­der­krei­ses für die Vöh­ler Syn­ago­ge, Karl-Heinz Stadt­ler, aus­ge­zeich­net. Sie wür­dig­te das En­ga­ge­ment des 70-Jäh­ri­gen bei der Auf­ar­bei­tung na­tio­nal­so­zia­list­scher Ver­bre­chen. Wich­tig ist ihm, an Schick­sa­le jü­di­scher Op­fer zu er­in­nern. Der pen­sio­nier­te Leh­rer war für die SPD lan­ge in der Kom­mu­nal­po­li­tik ak­tiv, er war Par­la­ments­chef und Orts­vor­ste­her in Vöhl.  red

3.3.2023, Einsatz für gemeinsames Gedächtnis

 

Einsatz für gemeinsames Gedächtnis

Hei­mat­for­scher Karl-Heinz Stadt­ler aus Vöhl er­hält Bun­des­ver­dienst­kreuz

Freu­de über die ho­he Aus­zeich­nung: Karl-Heinz Stadt­ler er­hielt ges­tern aus den Hän­den von Hes­sens Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin An­ge­la Dorn das Bun­des­ver­dienst­kreuz. Fo­to: Paul Mül­ler

Vöhl/Wies­ba­den – Karl-Heinz Stadt­ler ist so et­was wie das Ge­dächt­nis sei­ner Ge­mein­de: Als Vor­sit­zen­der des För­der­krei­ses Syn­ago­ge in Vöhl lenkt der 70-Jäh­ri­ge den Blick sei­ner Mit­men­schen auf die Le­bens­ge­schich­ten der Jü­din­nen und Ju­den, die einst in Wal­deck-Fran­ken­berg leb­ten, er­forscht ih­re Schick­sa­le und en­ga­giert sich für ihr An­denken.

An­ge­la Dorn, Hes­si­sche Mi­nis­te­rin für Wis­sen­schaft und Kunst, hat Karl-Heinz Stadt­ler am Don­ners­tag für sei­ne her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen für das Ge­mein­wohl das Ver­dienst­kreuz am Ban­de des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land über­reicht. „Im Som­mer 2021 or­ga­ni­sier­te der För­der­kreis um Karl-Heinz Stadt­ler ei­nen Kunst­wett­be­werb mit dem Ti­tel ,Er­in­nern – Wa­chen – Er­le­ben‘. Die­se drei Wor­te fas­sen gut den au­ßer­ge­wöhn­li­chen Ein­satz zu­sam­men, mit dem Herr Stadt­ler die Re­gi­on be­rei­chert“, be­ton­te die Wis­sen­schafts- und Kunst­mi­nis­te­rin.

Er­in­ne­rung, Wach­sam­keit, Mit­den­ken durch in­ten­si­ve Er­leb­nis­se sei­en wich­tig – um nicht zu ver­ges­sen, um ge­gen die Feh­ler zu han­deln, die in der Ver­gan­gen­heit be­gan­gen wur­den. Die Kunst spie­le hier­bei ei­ne wich­ti­ge Rol­le. Sie be­stehe, hal­te fest und ma­che sicht­bar, was in der Er­in­ne­rung manch­mal zu ver­schwin­den oder ver­schlei­ern dro­he.

An­ge­la Dorn wies in die­sem Zu­sam­men­hang auf das En­ga­ge­ment Stadt­lers hin. Der Vöh­ler forscht nicht nur zu den vie­len Schick­sa­len der Jü­din­nen und Ju­den in Wal­deck-Fran­ken­berg und da­mit zu den dun­kels­ten Ka­pi­teln der deut­schen Ge­schich­te. „Er or­ga­ni­siert mit den Mit­glie­dern des För­der­krei­ses auch Kon­zer­te, Aus­stel­lun­gen und Le­sun­gen und er­zeugt so ge­mein­sa­me neue Er­in­ne­run­gen, die wir im Her­zen be­hal­ten“, sag­te Mi­nis­te­rin.

Die­se men­schen­zu­ge­wand­te Phi­lo­so­phie be­glei­te­te und be­glei­te Karl-Heinz Stadt­ler auch bei den vie­len an­de­ren eh­ren­amt­li­chen Ein­sät­zen – zum Bei­spiel in der Flücht­lings­hil­fe, bei sei­ner Ar­beit in der Ge­mein­de­ver­tre­tung und im Sport­ver­ein. „Mit dem Ver­dienst­kreuz am Ban­de des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land eh­ren wir sei­nen un­er­müd­li­chen Ein­satz für un­ser ge­mein­sa­mes Ge­dächt­nis“, sag­te An­ge­la Dorn.

Stadt­ler wur­de 1952 in Fran­ken­berg ge­bo­ren. Er stu­dier­te Ger­ma­nis­tik, Wis­sen­schaft­li­che Po­li­tik und Päd­ago­gik an der Phil­ipps-Uni­ver­si­tät in Mar­burg. An­schlie­ßend ar­bei­te­te er als Leh­rer.

Schon in den 1990er-Jah­ren be­schäf­tig­te Stadt­ler sich mit dem Zu­sam­men­le­ben von Ju­den und Chris­ten vor al­lem in der Ge­mein­de Vöhl, aber auch in der Um­ge­bung. Im Jahr 1999 setz­te er sich für den Er­werb der al­ten Vöh­ler Syn­ago­ge ein und be­glei­te­te die Grün­dung des För­der­krei­ses „Syn­ago­ge in Vöhl“, des­sen Vor­sit­zen­der er ist.

Sei­ne Pro­jek­te füh­ren Men­schen zu­sam­men: So or­ga­ni­sier­te er ein Tref­fen ehe­ma­li­ger Vöh­ler Jü­din­nen und Ju­den, plan­te ei­ne Ver­an­stal­tungs­rei­he zu „Fa­cet­ten des Ras­sis­mus in drei Staf­feln“ und den Kunst­wett­be­werb. Auf der In­ter­net­sei­te der Syn­ago­ge Vöhl trägt er ei­gens re­cher­chier­te ge­schicht­li­che und per­sön­li­che Da­ten zu­sam­men, die die Schick­sa­le der jü­di­schen Be­völ­ke­rung in ein­zig­ar­ti­ger Wei­se do­ku­men­tie­ren. Zu­dem war Stadt­ler Orts­vor­ste­her und Mit­glied der Ge­mein­de­ver­tre­tung in Vöhl. Er gibt Flücht­lin­gen Deutsch­un­ter­richt und en­ga­giert sich in Hei­mat- und Sport­ver­ei­nen.  red/dau

14.2.2023, Konzerte, die Kulturen verbinden

 

Konzerte, die Kulturen verbinden

För­der­kreis Syn­ago­ge Vöhl prä­sen­tiert sein Jah­res­pro­gramm

 
Das Trio JMO um Jan Ga­le­ga Brön­ni­mann aus der Schweiz, Moussa Cis­sok­ho aus dem Se­ne­gal und Om­ri Ha­son aus Is­ra­el gasiert am 13. Mai in der Vöh­ler Syn­ago­ge. Fo­to: Jan Ocil­ka

Vöhl – Das kul­tu­rel­le Pro­gramm des För­der­krei­ses Syn­ago­ge in Vöhl für die­ses Jahr war­tet auf mit an­spruchs­vol­len Kon­zer­ten, in­ter­es­san­ten Vor­trä­gen, Füh­run­gen, un­ter­halt­sa­men Fil­men und lehr­rei­chen Aus­stel­lun­gen. Ka­rin Kel­ler und Karl-Heinz Stadt­ler vom För­der­kreis ha­ben die Ver­an­stal­tun­gen jetzt vor­ge­stellt. Sie hof­fen auf gu­te Re­so­nanz und freu­en sich auf hoch­ka­rä­ti­ge Künst­ler und di­ver­se Re­fe­ren­ten.

Beim ers­ten Syn­ago­gen­kon­zert in die­sem Jahr wird das Fla­men­coduo An­na Mur­to­la und Joo­nas Wi­de­ni­us aus Finn­land zu er­le­ben sein. Die deutsch-fin­ni­sche Ge­sell­schaft hat sich an den För­der­kreis ge­wandt und das Duo vor­ge­schla­gen, das in Finn­land sehr be­kannt sein soll, be­rich­tet Ka­rin Kel­ler. Am Mitt­woch, 8. März, 19 Uhr, wer­den die vir­tuo­sen Rhyth­men der Fin­nen in der Syn­ago­ge zu hö­ren sein.

Am Sams­tag, 25. März, eben­falls um 19 Uhr, wird „Klez­mer im El­fen­pa­last“ prä­sen­tiert. Die For­ma­ti­on aus Hel­mut Ei­sel, der schon re­gel­mä­ßig in der Syn­ago­ge ge­we­sen ist, an der Kla­ri­net­te und Bir­ke Fal­ken­roth an der Har­fe wird ei­ne be­son­de­re Kom­bi­na­ti­on der bei­den In­stru­men­te auf die Büh­ne brin­gen.

Ein fas­zi­nie­ren­des Zu­sam­men­spiel aus Klän­gen un­ter­schied­li­cher Kul­tu­ren er­war­tet die Zu­schau­er am Sams­tag, 13. Mai, ab 19 Uhr: Das Trio JMO ver­bin­det in sei­nem Kon­zert drei Kon­ti­nen­te mit­ein­an­der. Moussa Cis­sok­ho aus dem Se­ne­gal, Jan Ga­le­ga Brön­ni­mann aus der Schweiz und Om­ri Ha­son aus Is­ra­el wer­den tra­di­tio­nel­le und mo­der­ne Mu­sik aus Afri­ka so­wie aus Eu­ro­pa mit­ein­an­der ver­knüp­fen.

Am Sonn­tag, 11. Ju­ni, ab 15 Uhr tre­ten die „Har­mo­nist:in­nen“ in der Syn­ago­ge auf. Yvon­ne Schmidt-Volk­wein, An­ne Pe­tros­sow, An­ne Wal­precht und Bernd Gei­ers­bach wer­den Lie­der aus dem Re­per­toire der Co­me­di­an Har­mo­nists vor­tra­gen. Zu die­sem Kon­zert ist der Ein­tritt frei. Im Rah­men des Kul­tur­som­mers Nord­hes­sen soll es am Don­ners­tag, 27. Ju­li, 19 Uhr ein Kon­zert in der Syn­ago­ge ge­ben. Die Künst­ler ste­hen noch nicht fest. Die Ri­ver­si­de Jazz Mes­sen­gers wer­den am Sams­tag, 26. Au­gust, 19 Uhr zu ei­ner mu­si­ka­li­schen Rei­se von den Ufern von Ful­da und Eder zum Mis­sis­sip­pi ein­la­den.

Am Sams­tag, 9. Sep­tem­ber, um 19 Uhr wer­den Ma­ria Tho­masch­ke und Ni­ko­lai Or­loff dem Pu­bli­kum ei­nen hei­te­ren Chan­son-Abend bie­ten. Zum Tag des of­fe­nen Denk­mals wer­den die Sän­ge­rin und der Pia­nist ihr Pro­gramm „So nah und doch so fern“ in der Syn­ago­ge zum Bes­ten ge­ben.

Auch die in Vöhl be­kann­ten und be­lieb­ten Künst­ler Paul Ho­orn und Ka­ro­li­na Pe­tro­va wer­den wie­der da­bei sein. Am Sams­tag, 18. No­vem­ber, 19 Uhr wer­den sie mit Pa­blo Go­mez, An­na v. Koch und Ca­pe­lye Co­ra­zon ihr Pro­gramm „Shir ha shirim“ – Cantar de los cant­ares dar­bie­ten. Die Grup­pe ver­bin­det Lie­der aus den jü­di­schen Ghet­tos mit la­tein­ame­ri­ka­ni­scher Mu­sik. Ein­tritts­preis: 25/23 oder 20 Eu­ro.  srs

Ein­tritts­kar­ten zu den an­de­ren Kon­zer­ten sind meist zu 20/18 oder 16 Eu­ro zu er­hal­ten. Schü­ler und Stu­den­ten zah­len vier Eu­ro we­ni­ger. Re­ser­vie­rung bei An­na Evers: Tel. 05635/1022 oder per Mail: in­fo@​syn​agog​e-​voehl.​de.

30.1.2023, Schü­ler er­in­nern an Op­fer

 

Schü­ler er­in­nern an Op­fer

Ge­denk­tag in Syn­ago­ge – Wie Ju­den be­tro­gen wur­den

 
Zum Tag des Ge­den­kens an die Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus: Schü­le­rin­nen und Schü­ler der 9. Re­al­schul­klas­sen der Eder­see­schu­le Herz­hau­sen er­in­ner­ten in der ehe­ma­li­gen Vöh­ler Syn­ago­ge an die Op­fer der Ge­walt­herr­schaft und fei­er­ten die De­mo­kra­tie in Deutsch­land. Fo­tos: Ste­fa­nie Rös­ner

 

Vöhl – Die De­mo­kra­tie, in der wir heu­te le­ben und die Men­schen­rech­te, auf die wir set­zen, sind un­trenn­bar ver­bun­den mit den Leh­ren aus der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Dar­an er­in­ner­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler der 9. Re­al­schul­klas­sen der Eder­see­schu­le Herz­hau­sen in der ehe­ma­li­gen Vöh­ler Syn­ago­ge.

Zum Ge­denk­tag an die Op­fer der Ge­walt­herr­schaft, dem 27. Ja­nu­ar, prä­sen­tier­ten sie in Form von Wort­bei­trä­gen und Bil­dern am Bei­spiel des La­gers The­re­si­en­stadt, wie „das Re­gime Häft­lin­ge und Be­völ­ke­rung be­tro­gen hat“. Gleich­zei­tig woll­ten die Schü­ler die De­mo­kra­tie in Deutsch­land fei­ern.

Leh­rer, El­tern und In­ter­es­sier­te wa­ren ein­ge­la­den, der Prä­sen­ta­ti­on in der Syn­ago­ge bei­zu­woh­nen und zu er­le­ben, was die Schü­ler zu­vor im Un­ter­richt mit ih­rer Leh­re­rin Su­san­ne Ku­bat er­ar­bei­tet hat­ten. Die­se schil­der­ten aus­führ­lich, mit welch hin­ter­häl­ti­gen Me­tho­den die Na­zis Ju­den zum Teil nach The­re­si­en­stadt ge­lockt hat­ten und un­ter wel­chen Um­stän­den die Men­schen dort be­han­delt wur­den oder spä­ter um­ka­men. Das Get­to und Durch­gangs­la­ger The­re­si­en­stadt sei zu­nächst als ein Ge­fäng­nis für „un­er­wünsch­te Per­so­nen“ de­kla­riert und dann zu ei­nem „Vor­zei­ge­la­ger“ der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ent­wi­ckelt wor­den.

844 hes­si­sche Ju­den, dar­un­ter et­li­che aus Wal­deck-Fran­ken­berg, wa­ren am 8. Sep­tem­ber 1942 aus Kas­sel nach The­re­si­en­stadt de­por­tiert wor­den. 207 von ih­nen wur­den di­rekt wei­ter nach Treb­linka de­por­tiert und dort er­mor­det, be­rich­te­ten die Schü­ler, die sich mit je­weils kur­zen Wort­bei­trä­gen ab­wech­sel­ten. 244 die­ser Ju­den wur­den in den Jah­ren 1943 und ‘44 ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger nach Ausch­witz ge­bracht, und nur 70 er­leb­ten 1945 die Be­frei­ung. Die Schü­ler be­rich­te­ten zu­dem über den NS-Pro­pa­gan­da-Film „The­re­si­en­stadt – Der Füh­rer schenkt den Ju­den ei­ne Stadt“, der ei­ne heuch­le­ri­sche In­sze­nie­rung ge­we­sen war.

In ei­nem Ka­pi­tel ih­res Vor­trags be­leuch­te­ten die Schü­ler das The­ma Kin­der in The­re­si­en­stadt, das den Be­su­chern be­son­ders na­he ging. Eben­so gin­gen sie auf die so ge­nann­ten „Heimein­kaufs­ver­trä­ge ein“, die al­ten Leu­ten ein gut um­sorg­tes Le­ben ver­spra­chen, die je­doch vie­len den schnel­len Tod brach­ten. „The­re­si­en­stadt war ei­ne To­des­fal­le“.

Der Vor­sit­zen­de des För­der­krei­ses der Syn­ago­ge, Karl-Heinz Stadt­ler, lob­te die Schü­ler für ih­re gut um­ge­setz­te Prä­sen­ta­ti­on.

27.1.2023, Holocaust-Gedenktag

 

HOLOCAUST-GEDENKTAG Auch Min­der­hei­ten wur­den zum Op­ferMord­plä­ne fan­den will­fäh­ri­ge Voll­stre­cker

 
Ein ge­spal­te­ner Dia­bas-Stein als Sym­bol: Die­ses Denk­mal auf dem Fried­hof von Hai­na/Klos­ter wur­de, wie die In­schrift auf den Stein­rän­dern lau­tet, „zur Er­in­ne­rung an die hilf­lo­sen Kran­ken, die in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus 1933-1945 hier star­ben“, im Jahr 1990 auf­ge­rich­tet. „Ihr Tod ist uns Mah­nung und Ver­pflich­tung.“ Im In­nen­hof des Hos­pi­tals wird auf ei­ner Ge­denk­ta­fel der Eu­tha­na­sie-Op­fer ge­dacht. Ar­chiv­Fo­tos: Karl-Her­mann Völ­ker

Wal­deck-Fran­ken­berg – In Er­in­ne­rung an den Tag der Be­frei­ung des NS-Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz am 27. Ja­nu­ar 1945 ge­denkt der Deut­sche Bun­des­tag heu­te ab 10 Uhr im Ple­nar­saal der Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Im be­son­de­ren Blick­punkt ste­hen da­bei in die­sem Jahr Men­schen, die auf­grund ih­rer se­xu­el­len Ori­en­tie­rung oder ge­schlecht­li­chen Iden­ti­tät im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­folgt wur­den.

Zu den ins­ge­samt sechs Mil­lio­nen Er­mor­de­ten, an die der In­ter­na­tio­na­le Ho­lo­caust­ge­denk­tag er­in­nert, ge­hö­ren auch mehr als 800 Ju­den, Sin­ti, Be­hin­der­te und po­li­tisch An­ders­den­ken­de al­lein aus Städ­ten und Ge­mein­den des heu­ti­gen Land­krei­ses Wal­deck-Fran­ken­berg, et­wa 155 von ih­nen ka­men im Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz um. Auch ih­rer wird heu­te im Land­kreis ge­dacht, so ab 18 Uhr in der al­ten Syn­ago­ge Vöhl, wo Schü­ler der Eder­see­schu­le Herz­hau­sen über das Ghet­to The­re­si­en­stadt be­rich­ten. Ab 17 Uhr wer­den dort „Lich­ter ge­gen die Dun­kel­heit“ leuch­ten.

Mit Ver­an­stal­tun­gen, Aus­stel­lun­gen, Buch­pu­bli­ka­tio­nen, ver­leg­ten Stol­per­stei­nen, Mahn­or­ten, Ge­denk­por­ta­len im In­ter­net und Kon­tak­ten zu Nach­fah­ren der Op­fer von deut­scher Ge­walt­herr­schaft hat sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in un­se­rem Kreis ei­ne breit in der Be­völ­ke­rung ver­an­ker­te Ge­denk­kul­tur ent­wi­ckelt. Da­bei gilt be­son­de­re Auf­merk­sam­keit den ver­trie­be­nen und er­mor­de­ten jü­di­schen Bür­gern, die Jahr­hun­der­te lang christ­lich-jü­di­sches Zu­sam­men­le­ben, Ge­sell­schaft und Kul­tur mit­ge­stal­tet ha­ben. Die Bar­ba­rei des in un­se­rer Re­gi­on länd­lich ge­präg­ten NS-Fa­schis­mus, aus­ge­führt von gro­ben SA-Braun­hem­den oder Schreib­tisch-Tä­tern, er­fass­te da­ne­ben aber auch Min­der­hei­ten, an die sel­te­ner ge­dacht wird.

Das vom NS-Re­gime schon 1933 er­las­se­ne „Ge­setz zur Ver­hü­tung erb­kran­ken Nach­wuch­ses“ fand auf un­te­rer Ebe­ne der Ge­sund­heits­äm­ter in sys­tem­treu­en Me­di­zi­nern will­fäh­ri­ge Voll­stre­cker. Un­ter dem Buch­ti­tel „Erb­bio­lo­gi­sche Se­lek­ti­on in Kor­bach 1933-1945“ leg­te da­zu 2014 Dr. Ma­ri­on Li­li­en­thal ei­ne um­fang­rei­che Stu­die mit er­schre­cken­den Er­geb­nis­sen vor: 45 Ein­woh­ner al­lein der Stadt Kor­bach wur­den auf­grund des Ge­set­zes zwangs­ste­ri­li­siert, 27 ju­gend­li­che und er­wach­se­ne Bür­ger und Pa­ti­en­ten fie­len der NS-„Eu­tha­na­sie“ zum Op­fer.

Ge­fürch­tet war, wie Zeit­zeu­gen be­rich­te­ten, der Fran­ken­ber­ger Me­di­zi­nal­rat Dr. Kurt Pe­ters, der sie als An­ge­hö­ri­ge kin­der­rei­cher Fa­mi­li­en ein­be­stell­te und „un­ter­such­te“. Er ord­ne­te Ste­ri­li­sie­run­gen nicht nur an, son­dern ent­schied auch dar­über als Mit­glied des „Erb­ge­sund­heits­ge­richts“. Im De­zem­ber 1939 schlug er ei­ne so­zi­al­schwa­che („aso­zia­le“) Vöh­ler Fa­mi­lie zur Un­ter­brin­gung in ei­nem La­ger, „evtl. KZ“, vor.

Ei­ne durch das Le­bens­hil­fe­werk Wal­deck-Fran­ken­berg 2009 an­ge­sto­ße­ne For­schungs­in­itia­ti­ve er­mit­tel­te, dass in den Krei­sen Wal­deck und Fran­ken­berg ins­ge­samt 500 Bür­ger dem NS-Mas­sen­mord an Kran­ken und Be­hin­der­ten, zy­nisch „Eu­tha­na­sie“ ge­nannt, zum Op­fer fie­len.

Be­hin­der­te ver­schwan­den plötz­lich aus dem Dorf­bild oder wur­den sys­te­ma­tisch aus An­stal­ten wie He­phata oder Hai­na de­por­tiert. An mehr als 400 der Tö­tung preis­ge­ge­be­ne Pa­ti­en­ten er­in­nert heu­te ei­ne Mahn- und Ge­denk­stät­te auf dem Fried­hof Hai­na.

Der so­ge­nann­te „Ausch­witz-Er­lass“ des SS-Reichs­füh­rers Hein­rich Himm­ler vom 16. De­zem­ber 1942 ord­ne­te nach lan­ger Ver­fol­gung die völ­li­ge Ver­nich­tung der im Deut­schen Reich le­ben­den et­wa 500 000 Sin­ti und Ro­ma an. Zu de­nen, die im „Zi­geu­ner­la­ger“ Ausch­witz-Bir­ken­au und an­de­ren Or­ten er­mor­det wur­den, ge­hö­ren bei­spiels­wei­se al­lein aus der Sied­lung Krö­ge, wie Arnd Bött­cher auf sei­nem Bat­ten­berg-Ge­denk­por­tal nach­weist, zwölf An­ge­hö­ri­ge der Fa­mi­lie Klein.

 

13.1.2023, Sen­sa­ti­ons­fund bei Bau­ar­bei­ten

 

Sen­sa­ti­ons­fund bei Bau­ar­bei­ten

In Kas­sel sind his­to­ri­sche Do­ku­men­te auf­ge­taucht – auch aus Vöhl

Bei Bau­ar­bei­ten in der Syn­ago­ge – hier der Got­tes­dienst­raum – sind un­be­kann­te Pa­pie­re auf­ge­taucht.

Kas­sel/Vöhl – Die Bau­ar­bei­ten für mehr Si­cher­heit in der Kas­se­ler Syn­ago­ge ha­ben über­ra­schend ei­nen Sen­sa­ti­ons­fund zu­ta­ge ge­för­dert. Er gibt vie­le Fra­gen und Rät­sel auf.

Beim not­wen­di­gen Um- und Aus­räu­men ei­ni­ger Räu­me wur­de in ei­nem un­ge­nutz­ten Wand­schrank ei­nes Schul­raums ein un­be­kann­tes Kon­vo­lut an un­ter­schied­li­chen Ak­ten und Pa­pie­ren ge­fun­den, die jü­di­sche Men­schen aus Nord­hes­sen be­tref­fen, un­ter an­de­rem aus Fran­ken­berg und Vöhl.

Es han­delt sich um zwei Dut­zend Ord­ner mit Un­ter­la­gen, Ori­gi­nal-Do­ku­men­ten von pri­va­ten und städ­ti­schen In­sti­tu­tio­nen aus den Jah­ren des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, De­por­ta­ti­ons- und Eva­ku­ie­rungs­lis­ten so­wie Fra­ge­bö­gen, auf de­nen Ju­den An­ga­ben et­wa über ih­ren Be­sitz ma­chen muss­ten. Die Be­schrif­tung der ge­fun­de­nen Ord­ner weist zu­dem auf Fi­nanz­amts­un­ter­la­gen hin. Ein Teil der Pa­pie­re sind Ori­gi­na­le, ei­ni­ge sind Fo­to­ko­pi­en.

Da­mit nicht ge­nug. Dar­über hin­aus wur­den um­fang­rei­che his­to­ri­sche Do­ku­men­te ge­fun­den wie Grund­buch- und stan­des­amt­li­che Ein­tra­gun­gen, Ak­ten aus Be­hör­den und Ka­tas­ter­äm­tern aus dem 19. Jahr­hun­dert aus den Ort­schaf­ten Fran­ken­berg und Vöhl. Dort hat­te es vor dem Ho­lo­caust gro­ße jü­di­sche Ge­mein­den und Syn­ago­gen ge­ge­ben.

Zu dem rät­sel­haf­ten Fund, zu dem auch aus­ge­schnit­te­ne Zei­tungs­ar­ti­kel aus den frü­hen 1930er-Jah­ren zäh­len, ge­hört au­ßer­dem ei­ne ori­gi­nal per­ga­men­te­ne Bi­bel­rol­le, dem Buch Es­ther.

„Kei­ner wuss­te von den Pa­pie­ren und wir kön­nen nicht sa­gen, wann, wie und war­um sie in die Kas­se­ler Syn­ago­ge ge­langt sind“, sagt Es­ther Haß vom Vor­stand der Kas­se­ler Jü­di­schen Ge­mein­de.

Ei­ne wis­sen­schaft­li­che Be­trach­tung soll nun für mehr Klar­heit sor­gen. Mit ei­ner Spen­de des Kas­se­ler Clubs Sor­op­ti­mist In­ter­na­tio­nal Eli­sa­beth Sel­bert in Hö­he von 2500 Eu­ro sol­len die Ak­ten jetzt ge­si­chert und ih­re Er­for­schung an­ge­scho­ben wer­den. Da­zu wur­de ein Teil des Kon­vo­luts be­reits ins Sa­ra-Nuss­baum-Zen­trum für jü­di­sches Le­ben ge­bracht. „Als ers­tes wer­den wir al­les di­gi­ta­li­sie­ren“, sagt Ele­na Pad­va, Ge­schäfts­füh­re­rin im Nuss­baum-Zen­trum. Und wei­ter: „Dann se­hen wir wei­ter. Es ist auf je­den Fall sehr be­we­gend, Ori­gi­nal-Pa­pie­re in der Hand zu hal­ten, auf de­nen Sa­ra Nuss­baum hand­schrift­li­che An­ga­ben ge­macht hat.“

Sa­ra Nuss­baum (1868-1956) war ei­ne deut­sche Rot-Kreuz-Schwes­ter und Über­le­ben­de des Ho­lo­causts. Im Jahr 1956 wur­de sie zur Eh­ren­bür­ge­rin der Stadt Kas­sel er­nannt und post­hum mit ei­nem Eh­ren­grab ge­ehrt.

Die Prä­si­den­tin des SI-Clubs Eli­sa­beth Sel­bert und Ver­le­ge­rin Re­na­te Mat­thei sagt: „Die­ser sen­sa­tio­nel­le Fund muss nun sorg­fäl­tig auf­ge­ar­bei­tet wer­den, um ihn für die Nach­welt zu er­hal­ten und die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Stadt­ge­schich­te zu er­mög­li­chen.“

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