Bahnhofstr. 04



21.03.2006 © Kurt-Willi Julius

1     Bahnhofstraße Nr. 4

(dol) Jakob Katzenstein und Frau, geb. Weizenkorn aus Korbach. Textilgeschäft in der Bahnhofstraße, jetzt Kickuth. Ihr einziger Sohn Albert fiel im Krieg. Die Katzensteins wurden damals in die Synagoge evakuiert. Das Haus steht noch an der Ecke Scharwinkel/Vorderheide. Dann verschwanden sie.

(kin) Im Haus Bahnhofstraße 4 führte das Ehepaar Jakob und Rosalie Katzenstein ein Textilgeschäft. Vermutlich um 1890 kamen Jakob und Rosalie Katzenstein, die aus Frankenau beziehungsweise aus Korbach stammten, nach ihrer Eheschließung nach Frankenberg und eröffneten dort das Textilgeschäft. Ihr einziger Sohn Albert fiel im Ersten Weltkrieg für sein deutsches Vaterland. Er war einer von zwei Gefallenen der Jüdischen Gemeinde Frankenberg.

Ihnen zur Seite stand als Haushaltshilfe Hilde Blum, die als 17-jährige im Mai 1939 im Haus der Bahnhofstraße 4 gemeldet ist. Seit dem Februar 1939 lebte sie aus Friedrichsroda kommend, bei Katzensteins.

Vermutlich Ende 1941 wurde das Ehepaar gezwungen, sein Haus zu verlassen. Es wurde zwangsweise in das Gebäude der im November 1938 geschändeten und im Inneren zerstörten Synagoge, Scharwinkel 4, einzuziehen. Seit Januar 1941 lebte bei dem Ehepaar Katzenstein noch die Schwester von Frau Katzenstein, das war Hedwig Weitzenkorn aus Korbach. Die Hausgehilfin Hilde Blum war zu dieser Zeit vermutlich bereits in Leipzig. (Offiziell wird sie allerdings erst zwei Tage vor ihrer Verschleppung aus Leipzig in Frankenberg abgemeldet).

In der Frühe des 6. September 1942 wurde der 77-jährige Jakob Katzenstein gemeinsam mit seiner 72-jährigen Ehefrau Rosalie und deren 57-jährigen Schwester Hedwig Weitzenkorn unter Androhung schwerster Strafen bei Nichtbefolgung vom Ortsgendarm zum Frankenberger Bahnhof geführt und in ein Sammellager nach Kassel gebracht. Von dort gab es einen Massentransport am nächsten Tag in das Ghetto Theresienstadt. Am 27. November 1942 starb Jakob Katzenstein bei fürchterlichsten hygienischen Verhältnissen im Ghetto Theresienstadt. Nur wenige Wochen nach dem Tod ihres Mannes starb auch Rosalie Katzenstein am 13. Januar 1943, ihre Schwester Hedwig Weitzenkorn kam eine Woche später am 20. Januar 1943 in Theresienstadt zu Tode.

Hilde Blum, die Hausgehilfin der Katzensteins, wurde im Januar 1942 von Leipzig nach Riga in Lettland verschleppt. Ein letztes Lebenszeichen gibt es von ihr vom 1. Oktober 1944, als sie zwei Tage vor ihrem 22. Geburtstag im KZ Stutthoff bei Danzig registriert wird.

Bahnhofstr. 4 mit Kaiserlichem Postamt um 1910
Reproduktion Wissemann 1980, Seite 150

Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an die Bewohner des Hauses in der Frankenberger Bahnhofstraße 4:

Jakob Katzenstein - *8.4.1865 in Frankenau - ermordet 27.11.1942 Ghetto Theresienstadt
Rosalie Katzenstein geb. Weitzenkorn - *6.5.1870 in Korbach - ermordet 13.1.1943 Ghetto Theresienstadt
Hedwig Weitzenkorn - *30.3.1885 in Korbach - ermordet 20.1.1943 Ghetto Theresienstadt
Hilde(gard) Blum - *3.10.1923 in Borken - ermordet KZ Stutthoff
Else Sommer - *1914 - ermordet im Vernichtungslager Sobibor


© Kurt-Willi Julius 02.03.2007

Bahnhofstr. 22


23.03.2006 © Kurt-Willi Julius

2     Bahnhofstraße Nr. 22
(dol) Dr. med Albert Lissard, Praxis im ersten Stock des Hauses Stöber, früh verstorben. Auf dem hiesigen jüdischen Friedhof beerdigt. Ehefrau: Olga Lissard, geb. Marek (geb. 24.5.1880 in Jamnitz/Mähren). Ihr Sohn Ernst war evangelisch und später Mediziner in Berlin. Er kam öfters mit seiner Mutter, um das Grab des Vaters zu besuchen. Da nach jüdischem Ritus keine Blumen auf den Gräbern sind, war Dr. Lissards Grab das einzige geschmückte. Dr. Lissard starb in Berlin. Seine Mutter überlebte ihn. Sie starb über 90jährig in einem Marburger Altersheim.


1950 (Wissemann 1994, S. 43)

24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Bahnhofstr. 23


Neubau 23.03.2006 © Kurt-Willi Julius

3     Bahnhofstraße Nr. 23
(dol) Albert Katten, der Bruder von Alex, wohnte im Hause Brosius in der Steingasse. Er war Holzhändler. Später kaufte die Familie das rote Haus in der Bahnhofstraße, (Molkerei Linde, jetzt Heini Vöhl). Der Holzplatz war auf dem Grundstück des heutigen Zahnarztes Becker. Die Kattens hatten drei Söhne, Wilhelm, Alfred und Albert? sowie eine Tochter Ilse, die 1984 mit ihrem Mann aus Amerika, in Frankenberg zu Besuch weilte.


Haus abgebrochen; 1950 (Wissemann 1994, S. 44)

Neubau 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Neustädter Str. 08


23.03.2006 © Kurt-Willi Julius

4     Neustädter Straße Nr. 8
(dol) Die Familie Wurmser wanderte nach Sao Paulo in Brasilien aus. Frau Wurmser besuchte einmal in Frankenberg E. A., die einst bei ihr gearbeitet hatte. Thekla Marx hatte eine Ausbildung bei Eva Marx absolviert, die in der Steingasse - heute Uhrmachergeschäft Gehrke - ein Putz- und Hutgeschäft führte.


24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Bremer Str. 06


 An dieser Stelle stand das 1962 abgebrochene Haus. 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

5     Bremer Straße Nr. 6
(dol) Der „dicke" Marx (Runkes), Viehhändler. Später Möbelgeschäft Finkeldey (Möbelkiste) Haushaltswaren. Zwei Töchter, Hedwig und Kathinka. Eine war Krankenschwester in Hamburg. Beide heirateten die Gebrüder Zweig. Ein Sohn, Artur, war äußerlich das Ebenbild seines Vaters.


1962 abgebrochen; 1950 (Wissemann 1994, S. 64)

Neubau; 1987 (Wissemann 1994, S. 64)

Bremer Str. 16


An dieser Stelle stand das Haus in dem Martha Rosenbaum wohnte.
Foto: Matschin-Herberz

5a     Bremer Straße Nr. 16
Ein Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig erinnert an die Bewohnerin des Hauses Bremer Straße 16:
• Martha Rosenbaum - *1898 - ermordet  im Vernichtungslager Auschwitz


01.03.2007 © Kurt-Willi Julius

Neustädter Str. 55



Neubau; 23.03.2006 © Kurt-Willi Julius 

6     Neustädter Straße Nr. 55
(dol) Selma Katz, neben oder im jetzigen Pelzgeschäft Heinemann. Pflegetochter der Eheleute Katz - Porzellan und dergleichen. Selma heiratete einen Herrn Stern und wohnte mit ihrer Familie im Hause Lechner in der Bremer Straße.


1976 abgebrochen; 1975 (Magistrat... 1979, S. 84)




Neubau; 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Neustädter Str. 38


An dieser Stelle stand das in den 70-er Jahren abgerissene Haus. Foto: Matschin-Herberz

6a     Neustädter Straße Nr. 38
Hier lebt 1878 der jüdische Händler Salomon Bär auf. Er ist verheiratet mit Gella, geborene Isak, kauft Lumpen und Knochen auf und verkauft auch Lose zur Kasseler Pferdelotterie zum Preis von drei Mark. Am 20. Oktober 1878 gliedert er seinem Geschäftsbetrieb eine Agentur der Lübecker Feuerversicherungs-Gesellschaft an. Sein am 15. Januar 1871 geborener Sohn Moses will 1888 nach Amerika auswandern.

Vermutlich verliefen die Handelsgeschäfte nicht allzu gut, denn 1892 und 1900 bietet er sein Haus Nr. 456 zum Verkauf an. Um diese Zeit ist er in Frankenberg allgemein als "Hefe-Bär" bekannt. Das Haus kommt nicht zum Verkauf. Seine am 30. Januar 1876 geborene Tochter Pfanni, jüdischen Glaubens, heiratet am 29. Januar 1900 den evangelischen Händler Daniel Schäfer. Das Haus geht in den Besitz seiner Tochter Pfanni und seines Schwiegersohnes Daniel Schäfer über, der das Handelsgeschäft fortführt und unter dem Namen "Hefe-Schäfer" bekannt wird. Der Schuhmacher Gustav Pfingst empfiehlt hier 1910 seine Schuhmacherwerkstatt.

Salomon Bär war ein jüdischer Mitbürger Frankenbergs. Auch seine Tochter Pfanni Schäfer war Jüdin. Sie heiratete mit Daniel Schäfer einen Christen, so daß die Tochter Else Müller als Halbjüdin angesprochen wurde. Rudi Müller bezeichnete sich selbst als Vierteljude. Erstaunlich ist, daß Pfanni Schäfer als Jüdin das Dritte Reich in Frankenberg ohne Deportation in ein Konzentrationslager überstanden hat. Sie starb in Frankenberg am 24. August 1946 und soll während des Zweiten Weltkrieges zum christlichen Glauben übergetreten sein.

Konnte man sich dadurch den nationalsozialistischen Gesetzen entziehen? Nein, denn als Jude galten nach den Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935 und den Durchführungs-Verordnungen vom 14. November 1935 diejenigen Personen, die von drei oder vier jüdischen Großelternteilen abstammten. Konnte Pfanni Schäfer beweisen, daß zwei Großelternteile nicht dem jüdischen Glauben angehörten und sie mithin Halbjüdin war? Dies ist kaum anzunehmen.

Wenn man den Berichten von älteren Frankenbergern folgt, waren Beziehungen des NSDAP-Ortsgruppenleiters zu seinem Eisenbahner-Kollegen Fritz Müller, dem Schwiegersohn von Pfanni Schäfer, ihre Rettung. Da Pfanni Bär schon 1900 einen Christen heiratete, sind die Familien Schäfer und Müller nie als jüdische Familien in Frankenberg angesehen worden.


 Repro: Karl-Hermann Völker, 


Ein Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig erinnert an den Bewohner des Hauses Neustädter Straße 38:
• Albert Bär - *1882 - ermordet im Ghetto Minsk

Steingasse 08


Straßenverbreiterung, dort wo das Gebäude stand  09.06.2006 © Kurt-Willi Julius

7     Steingasse Nr. 8
(dol) Alex Katten. Die Mutter nähte unter anderem im Laden (Textilien). Sie war später an den Rollstuhl gefesselt, konnte sich aber noch gut selbst helfen. Die beiden Söhne, einer hieß Fritz, lebten in Berlin und sollen dort die Nazizeit überlebt haben.


Abbruch 1967/1968; Foto: Rothermund, Frankenb. (Magistrat... 1979, S. 125)

Straßenverbreiterung, dort wo das Gebäude stand (Magistrat... 1979, S. 125)

Steingasse 10


Foto: Matschin-Herberz

19a Steingasse Nr. 10

Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an die Bewohnerin des Hauses Steingasse 10:

• Eva Marx - ∗1879 - ermordet, deportiert 1942 Ghetto Zamosc



GeorgDerReisende, Stolperstein Eva Marx, 1, Steingasse 10, Frankenberg, Landkreis Waldeck-Frankenberg, CC BY-SA 4.0

Schmiedegasse 02


24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

8     Schmiedegasse Nr. 2
(dol) Marx, im heutigen „Storchennest" mit schlanker, sympatischer Frau. Sohn Erich studierte nach dem Abitur (die ersten Abiturienten in Frankenberg) Jura und arbeitete als Referendar am hiesigen Amtsgericht. Bruder Jakob half im Viehgeschäft seines Vaters. Oben im Storchennest wohnte der Bruder des Marx vom Paterre. Er war Viehhändler und unterhielt ein Textilgeschäft. Mehrere Kinder - Loni.... Frau Marx starb über 90-jährig in den USA, betreut von einer ihrer Töchter. I. G. war in den USA und besuchte sie dort. Über ein mitgebrachtes Foto ihres ehemaligen Hauses hat sie sich sehr gefreut.

Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an den Bewohner des Hauses Schmiedegasse 3:

• Bertha Marx geb. Biermann - ∗ 1882 - ermordet 1944 Vernichtungslager Auschwitz


24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

GeorgDerReisende, Stolperstein Bertha Marx, 1, Schmiedegasse 2, Frankenberg, Landkreis Waldeck-Frankenberg, CC BY-SA 4.0

Ritterstr. 20


23.03.2006 © Kurt-Willi Julius

9     Ritterstraße Nr. 20
(dol) Schuhgeschäft Katzenstein, neben Bohlen Mariechen. Ein Sohn studierte damals schon im heutigen Israel. Töchter Paula und Claire (war bei der Post). Eine dritte Tochter - der Name fällt mir nicht ein), heiratete und übernahm das Textilgeschäft ihres Onkels, Jakob Katzenstein, in der Bahnhofstraße, heute Kickuth.


Wohn- und Geschäftshaus; 1950 (Wissemann 1994, S. 182)

24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Nord/West-Seite; 1981 (Wissemann 1994, S. 183)

während der Restaurierung; 1983 (Wissemann 1994, S. 183)

Restaurierung 1983/1984; 1983 (Wissemann 1994, S. 182)

nach der Restaurierung; 1988 (Wissemann 1994, S. 183)

Steubergasse 12


Foto: Matschin-Herberz

10   Steubergasse Nr. 12
(he) Viehhändler Meier Marx mit seiner Frau Frieda, geb. Dilloff, und den Kindern Sidonie (Toni) und Walter

Geismarer Str. 07


ehem. Geismarer Str. 7; vorne Auf der Heide 1, re Geismarer Str. 5 und 3, 7 ist längst
abgerissen 09.06.2006 © Kurt-Willi Julius

11   Geismarer Straße Nr. 7 (in der Quelle Dolenschall irrtümlich als Nr. 5 bezeichnet)
(dol) Jonas Buchheim, Viehhändler, Tochter Ida und Sohn Siegfried.

(kin) Ida Buchheim wurde 1904 in Frankenberg geboren. Ihr Vater war der Viehhändler Meier Buchheim in der Geismarer Straße 7. Bis wann Ida Buchheim hier lebte ist nicht bekannt. Im Juli 1935 wird sie in Frankenberg als Verheiratete (mit Willy Alexandrowitz) in der so genannten Judenkartei am selben Tag unter der Adresse Steingasse 16 an- und abgemeldet. Dies ist wohl ein Schreibfehler, möglicherweise ist Steingasse 19 gemeint, wo Verwandte von ihr lebten. Sie verzog nach Rheinswein in Ostpreußen. Aus Landwerk Neuendorf wurde sie nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Ein Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig erinnert an die Bewohnerin des Hauses Geismarer Straße 7:

Ida Alexandrowitz geb. Buchheim - *2.10.1904 in Frankenberg - ermordet Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau


Geismarer Straße 7 Repro: Karl-Herm. Völke

das Haus Geismarer Str. 7 ist abgerissen; li: Auf der Heide 1, re: Geismarer Str. 5, 1968
(Magistrat... 1979, S. 26)


auch Auf der Heide 1 ist durch einen Neubau ersetzt; re Geismarer Str. 5, 1975
(Magistrat... 1979, S. 26)


GeorgDerReisende, Stolperstein Ida Alexandrowitz, 1, Geismarer Tor 7, Frankenberg, Landkreis Waldeck-Frankenberg, CC BY-SA 4.0

Gernshäuser Weg, Jüdischer Friedhof


Jüdischer Friedhof 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

12   Gernshäuser Weg - Jüdischer Friedhof
Wäre es nach dem Kasseler Regierungspräsidenten gegangen, gäbe es den jüdischen Friedhof überhaupt nicht mehr. Im Juni 1940 erließ der RP eine Verfügung, alle jüdischen Friedhöfe zu schließen und der „Deutschen Wirtschaft zuzuführen". Der Friedhof wurde nicht der deutschen Wirtschaft zugeführt. Er wurde wie die anderen jüdischen Kulturstätten jedoch von unbekannter Seite verwüstet. Eine der ersten Anordnungen der neuen Machthaber, die amerikanische Armee marschierte am 28. April 1945 in Frankenberg ein, wurde durch den damaligen Ausscheller, Herrn Kornemann, den Frankenberger Bürgern bekanntgegeben. Laut Zeitzeugen Wolfgang Ochse, der sinngemäße Wortlaut: „Die amerikanische Militärregierung befiehlt allen Mitgliedern der ehemaligen Nazi-Organisationen, sich mit Werkzeug am Pfingst-Sonntag beim jüdischen Friedhof einzufinden." Ca. 10% dieser Mitglieder befolgten den Befehl, befreiten den zugewachsenen Friedhof vom Unkraut und richteten die umgeworfenen Grabsteine wieder auf. Das Nichterscheinen der anderen 90% hatte für diese keine Konsequenzen zur Folge.

In der Nacht vom 6. auf den 7. November 1982, wurde der jüdische Friedhof zum zweiten Mal seit seinem Bestehen geschändet. Auch dieses Mal sind die Täter anonym geblieben. Am Morgen des 7. November, d.h. kurz vor dem 35. Jahrestag der Pogromnacht, prangten auf etlichen Grabsteinen Hakenkreuze, waren auf anderen Parolen, wie: „Wir wollen Gas, Wir wollen Zyklon B ..." aufgesprüht.

Weiterführende Literatur:

Jüdisches Leben in Frankenberg

Geschichte der Gemeinde und ihrer Familien.
Mit Beiträgen über die Juden in Geismar und Röddenau
sowie einer Dokumentation des jüdischen Friedhofs.

ISBN-13 : 978-3981383737; Thiele & Schwarz; 2011

Scharwinkel 04, ehemalige Synagoge


ehemalige Synagoge 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

13   Scharwinkel 4 - ehemalige Synagoge (in der Quelle Dolenschall irrtümlich als Nr. 2 bezeichnet)
Am 18.11.1938 hätte die mittlerweile zahlenmäßig stark verkleinerte jüdische Gemeinde das 1OOjährige Bestehen ihrer Synagoge begehen können. Doch die von den Nazis arrangierte „Reichskristallnacht" vom 9. auf den 10. November 1938 machte dieses Vorhaben zunichte.

Am Morgen des 7.11.1938 hatte in Paris der 17jährige polnische Jude Herschel Grynszpan ein Attentat auf den deutschen Legationsrat Ernst von Rath verübt. Am 9. November 1938 verstarb v. Rath an den Folgen seiner Verletzung. Am selben Tag fanden in allen Städten des Reichs Gedenkveranstaltungen an den gescheiterten Putschversuch vom 9. November 1923 - Marsch auf die Feldherrenhalle - statt. Den Tod v. Raths nahmen die Nazis zum Anlaß, unter dem Deckmantel »spontaner Kundgebungen« in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 im gesamten Reich Synagogen, jüdische Friedhöfe, jüdische Geschäfts- und Wohnhäuser zu zerstören. Da bei den Ausschreitungen viel Glas zu Bruch ging, wählten die Nazis wohl den verharmlosenden Begriff „Reichskristallnacht". Bei den Pogromen wurden 91 Juden getötet, ca. 35.000 vorübergehend inhaftiert.

In dieser Nacht wurden in der näheren Umgebung die Synagogen in Bad Wildungen, Battenfeld und Korbach niedergebrannt. Die Frankenberger Synagoge wurde befehlsgetreu „nur geplündert". Der Grund: Die Synagoge grenzte an einer Seite an ein Wohnhaus, auf der anderen Seite an eine Scheune, die randvoll mit Stroh und Heu gefüllt war. Anscheinend war den Frankenberger Nazis das Risiko zu groß, daß auch diese angrenzenden Gebäude Opfer der Flamen geworden wären.

Elfriede Weber erlebte als 1Ojährige die Zerstörung der Frankenberger Synagoge in der Nacht vom 9. November 1938. Sie wohnte damals im Nachbarhaus Scharwinkel 2.

„Nachts wurde die Synagoge von ca. 4 - 5 Männern in Uniform überfallen und verwüstet. Durch die vorher eingeschlagenen Fenster flogen Bänke/ Gebetbücher, Sitzkissen und Glasteile in den Scharwinkel.

Meine Mutter und wir Kinder standen am Fenster, wurden aber durch Zurufe und In-die-Luft-Schießen am weiteren Beobachten gehindert. Das bereits gelegte Feuer wurde zur Sicherung der anliegenden Scheunen und dem Wohnhaus, in dem wir wohnten, von den Verursachern wieder gelöscht. Am nächsten Tag mußten Juden die zertrümmerten Gegenstände auf einen Leiterwagen zum Abtransport laden."


Die Synagoge ging Anfang 1939 in den Besitz der Stadt Frankenberg über und wurde zum Wohnhaus umgebaut. 1943 wurde das Haus weiter verkauft.

Ursprünglich war der rechts neben dem Eingang liegende Teil eingeschossig. Hier befand sich der Betsaal mit jeweils einer Empore an den Längsseiten. Im linken Teil - zweigeschossig - befand sich die Hausmeisterwohnung und vor 1913 die Räume der jüdischen Schule. In diesen Räumen wurden im Sommer 1942 u.a. das aus ihrem Haus in der Bahnhofstraße vertriebene Ehepaar Rosalie (72 Jahre) und Jakob (77 Jahre) Katzenstein zwangsuntergebracht, bevor sie im August ins KZ Theresienstadt deportiert wurden.


Ehemalige Synagoge um 1950 Quelle: Dolenschall; a.a.O.

ehemalige Synagoge 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Pferdemarkt 08


24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

14   Pferdemarkt Nr. 8
(dol) Schuhgeschäft Sally Stern. Heute Haus Friedrich (Schneider). Die beiden hochbegabten Kinder, Klärchen und Julius, waren einmal aus Amerika zu Besuch gekommen und wohnten bei F. H.-K. Herr Stern besuchte seine Kunden in und um Frankenberg mit einem grünen Sack auf dem Rücken, der neue und reparierte Schuhe enthielt.

(kin) Im Haus Pferdemarkt 8, in dem am 1. Mai 1911 das Schuhgeschäft von Sally Stern eröffnet wurde, lebte im 19. Jahrhundert das Ehepaar Liebmann und Ernestine Marx. Es hatte mehrere Kinder, unter anderen Sara, geb. 1875 in Frankenberg, Jenny, geb. 1879 in Frankenberg und Lina, 1882 in Frankenberg geboren. Sara Marx lebte wie ihre Schwester Jenny Marx in Mühlheim an der Ruhr. Von dort wurden sie 1942 im Alter von 66 und 63 Jahren in das besetzte Polen nach Izbica bei Lublin verschleppt. Sie wurden vermutlich im Vernichtungslager Sobibor vergast.

Lina Marx heiratete Moritz Rosenbaum und hatte eine Tochter Lieselotte. Die Familie wohnte in Essen-Stele in der Berliner Straße 39-41, während des Krieges lebte das Ehepaar in Essen, Lenbachstraße 3. Lina Rosenbaum wurde im Alter von 59 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann am 21. Juli 1942 aus Essen über Düsseldorf in das Ghetto Theresienstadt deportiert, dann von dort zwei Monate später am 21. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort vergast.


Pferdemarkt 4 bis 12 um 1908
Reproduktion: Wissemann 1980, Seite 79

Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an die Bewohner Pferdemarkt 8
David Goldschmidt - *1873 - ermordet 1943 Ghetto Theresienstadt ?
Sara Marx - *1875 - ermordet 1942 Vernichtungslager Sobibor
Jenny Marx - *1879 - ermordet 1942 Vernichtungslager Sobibor
Lina Rosenbaum geb. Marx *1882 - ermordet 1942  Vernichtungslager Treblinka


01.03.2007 © Kurt-Willi Julius

Pferdemarkt 06


24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

5   Pferdemarkt Nr. 6
(dol) Jonas Dilloff, nebenan, kinderlos, Fellhändler und Schlächter.


vor der Modernisierung; 1967 (Magistrat... 1979, S. 106)

24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Pferdemarkt 03


23.03.2006 © Kurt-Willi Julius

16   Pferdemarkt Nr. 3 (in der Quelle Dolenschall irrtümlich als Nr. 4 bezeichnet)
(dol) Metzgerei Leopold Freund. Das Ehepaar blieb kinderlos.


Foto: Stadtarchiv Frankenberg, um 1910

Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an den Bewohner des Hauses Pferdemarkt 3:

• Philipp Dilloff - ∗1863 - ermordet 23.9.1942 Vernichtungslager Treblinka


GeorgDerReisende, Stolperstein Philipp Dilloff, 1, Pferdemarkt 1, Frankenberg, Landkreis Waldeck-Frankenberg, CC BY-SA 4.0

Untermarkt 08


21.03.2006  © Kurt-Willi Julius

17   Untermarkt Nr. 8
(dol) Josef Kaiser mit Frau Feylchen, Viehhändler . Kinder, Jenny, Hermann, Hanna, Erna. Herr Kaiser wurde von den Nazis angeblich nach Kassel geholt.

(kin) Im Haus Untermarkt 8 in Frankenberg wohnte das Ehepaar Josef und Mary Kaiser. Der Viehhändler und Metzger Josef Kaiser stammte aus Hoof bei Kassel und lebte seit 1894 in Frankenberg. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1921 Mary Josephs aus Jever in Norddeutschland. Vier Kinder wuchsen im Haus Untermarkt 8 auf. Von der Tochter Jenny werden wir noch weiter unten hören.

Das Ehepaar Kaiser wurde zum 13. Dezember 1941 - wie die Ehepaare Plaut und Katzenstein - gezwungen, aus seinem Haus zu ziehen und in dem Gebäude der Synagoge, sicherlich auf engstem Raum, zu leben. Im Mai 1942, als es Fische aus der Eder zu kaufen gab, war auch Josef Kaiser in der Reihe der Wartenden.

Jemand denunzierte den 73-Jährigen und die Gestapo wies ihn am 12. Juni 1942 in das Arbeitserziehungslager Breitenau bei Guxhagen ein. Dort blieb er etwa zehn Wochen in Schutzhaft, bevor er am 25. August von Breitenau in das Konzentrationslager Mauthausen in Österreich verschleppt wurde. Nur wenige Tage später wurde sein Tod dort am 31. August 1942 amtlich festgehalten.

Es ist nicht bekannt, ob seine Frau noch von dem Tod ihres Mannes wusste, bevor die 61-Jährige über Kassel in das Ghetto Theresienstadt verschleppt wurde. Nach mehr als zwei Jahren Gefangenschaft wurde sie von dort am 9. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft vergast wurde.

Die Tochter Jenny Kaiser lebte vermutlich bis zu ihrer Heirat um 1925 in ihrem Elternhaus Untermarkt 8. Dann zog sie nach Bonbaden im Kreis Wetzlar und wohnte im Haus Dorfstraße 99.

Am 10. Juni 1942 wurde sie im Alter von 47 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann und dem 15-jährigen Sohn Horst und einem Schwager aus ihrem Haus verschleppt über Frankfurt nach Polen in die Region Lublin und im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an die Bewohner des Hauses Untermarkt 8 in Frankenberg:
Josef Kaiser - *17.7.1869 in Hoof, Landkreis Kassel - ermordet 31. August 1942 KZ Mauthausen
Mary Kaiser geb. Josephs - *26. August 1881 in Jever - ermordet 9. Oktober 1944 Vernichtungslager Auschwitz
Jenny Liebmann geb. Kaiser - *8.7.1895 in Frankenberg - ermordet 1942 Vernichtungslager Sobibor.


von li: Untermarkt 6, 8 vor der Modernisierung; vor 1975 (Magistrat... 1979, S. 145)

von li: Untermarkt 6, 8 nach der Modernisierung; 1977 (Magistrat... 1979, S. 145)


von li: Untermarkt 2, 4, 6, 8; 21.03.2006 © Kurt-Willi Julius

21.03.2006  © Kurt-Willi Julius

Untermarkt 10


Untermarkt 10, 12 ein Haus - zwei Nummern: li Nr. 10, re Nr. 12; 24.05.2006
© Kurt-Willi Julius


18   Untermarkt Nr. 10
(kin) Im Haus Untermarkt 10 lebte das Ehepaar Bertha und Jonas Dilloff. Jonas Dilloff war in Frankenberg geboren. Er schlachtete vermutlich Kleintiere und handelte mit deren Fellen. 1938 starb Bertha Dilloff im Alter von 78 Jahren, und sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Frankenberg beerdigt.

Nach ihrem Tod zog Jonas Dilloff im April 1939 nach Bonbaden im Kreis Wetzlar zu der aus Frankenberg stammenden Jenny Liebmann geb. Kaiser und ihrer Familie. Ihr Bruder hatte bis zu seiner Auswanderung im selben Haus wie Jonas Dilloff gelebt. Der alte Jonas Dilloff wurde im August aus dem Israelitischen Krankenhaus in Frankfurt im Alter von 77 Jahren in das Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo er wenige Wochen später am 23. September 1942 starb.

Ein Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig erinnert an den Bewohner des Hauses Untermarkt 10:

Jonas Dilloff - *4. November 1864 in Frankenberg - ermordet 23. September 1942 Ghetto Theresienstadt
• Ruth Friesem geb Liebmann - ∗1921 - ermordet 11.6.1942 Vernichtungslager Sobibor


li. Hälfte: Untermarkt 10 vor der Modernisierung; 1979 (?) (Magistrat... 1979, S. 159)

Untermarkt 10, 12; 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

Untermarkt 10, 12 ein Haus - zwei Nummern: li Nr. 10, re Nr. 12; 24.05.2006
© Kurt-Willi Julius


01.03.2007 © Kurt-Willi Julius

GeorgDerReisende, Stolperstein Ruth Friesem, 1, Untermarkt 10, Frankenberg, Landkreis Waldeck-Frankenberg, CC BY-SA 4.0
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