Nele, E. R.



Die letzten Aufrechten (2004)
© Kurt-Willi Julius

E. R. Nele
Die letzten Aufrechten (2004)

*1932 in Berlin
lebt in Frankfurt (Main)
E. R. (Eva René) Nele ist die Tochter von Arnold Bode, dem Initiator und Gründer der
documenta.
Der kursiv gedruckte, erste Teil des folgenden Textes ist der Ansprache von Gunnar
Richter (Kassel) am Mahnmal "Die Rampe" von E. R. Nele in Kassel am 28. März
2005 entnommen.
Am 8. Mai 1985, am 40. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung vom
Nationalsozialismus wurde in Kassel auf dem Gelände der
Gesamthochschule/Universität das Mahnmal "Die Rampe" eingeweiht. In einem Brief
an Esther Haß (Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Kassel und
Stadträtin) schilderte E.R. Nele einmal ihre persönlichen Beweggründe dafür, dieses
Mahnmal zu schaffen. (Die gleichen Beweggründe gelten auch für ihre Arbeit „Die
letzten Aufrechten“ für die Synagoge Vöhl):
"Als Kind lebte ich oft bei meinen Großeltern, die eine Zimmerei betrieben hatten.
Diese lag ganz in der Nähe der Henschel-Betriebe. Abends (während des Zweiten
Weltkrieges, G. R.) wurden die russischen und polnischen Gefangenen, die in den
Henschel-Betrieben arbeiteten, am großen Tor des Zimmerei-Betriebes
vorbeigetrieben, von bewaffnetem Personal (...) bewacht. Sie waren jeden Abend auf
dem Rückweg in ihr Lager auf dem Hegelsberg. Diese Menschen mit Lappen um die
Füße, ausgemergelt, (...) " ein trauriger, grauer, endloser Zug.
Meine Mutter steckte ihnen heimlich Brot und Wurst durch das Tor zu, viele Abende.
Eines Abends steckte einer der Russen etwas durch das Tor zurück, ein Lumpen-
Päckchen; und als wir es öffneten, war darin ein aus Holz geschnitzter Vogel, ganz in
der traditionellen Art russischer Volkskunst. Irgendwann wurden die Russen verlegt;
sie kamen nicht mehr am Tor vorbei.
Viele Jahre später, ich las die Bücher von Jorge Semprun, kam mir die Erinnerung an
dieses Erlebnis."
Jorge Semprun ist ein spanischer Widerstandskämpfer, der in den 30er Jahren nach
Paris floh, dort an der Resistance teilnahm und 1943 in das KZ Buchenwald
deportiert wurde. Über seinen Verfolgungsweg veröffentlichte er in den 60er Jahren
sein erstes Buch mit dem Titel "Die große Reise". "Die große Reise" das ist die
fünftägige Fahrt in einem Güterwaggon, in dem Jorge Semprun und 118 weitere
Gefangene aus Frankreich in das KZ Buchenwald deportiert werden. Die grausamen
Bedingungen auf dieser Fahrt - ohne Essen, im Stehen - bildet den Rahmen, in dem
Jorge Semprun seine Erlebnisse während der Verfolgung bis zu seiner Befreiung
und der Nachkriegszeit schildert.
E.R. Nele war durch diese Schilderungen offenbar tief beeindruckt und bewegt.
Obwohl ihr persönlicher Bezug über das Leiden der ehemaligen Zwangarbeiter und
Zwangsarbeiterinnen entstanden ist, hat sie dieses Denkmal zur Erinnerung an alle
Deportierten, Verfolgten und Ermordeten geschaffen.
So greift auch ihre Arbeit für Vöhl das Motiv der gebeugten, unterdrückten Kreatur
auf. Die das Brett tragende Gruppe kleiner Metallfiguren - geschundener Menschen -
entstammt den Studien für eine früher in Frankfurt realisierte Arbeit zum Holocaust.
Bei ihrem Besuch in Vöhl erwähnte E.R. Nele, dass sie hier auch die Todesmärsche
assoziiert.
Neu ist der zum Sternenbrett gereckte Arm. Gebeugte Köpfe und Körper, aber ein
ungebeugter Geist und Wille sind von vielen Opfern des Holocaust überliefert; vgl.
u.a. das szenische Stück über Viktor E. Frankl: „Und trotzdem Ja zum Leben sagen“.
Der Himmel birgt Hoffnung, das Brett zeigt nach oben. Aber: so zweideutig diese
Aussage ist, so fragil ist auch die Hoffnung: das Brett erzittert bei der geringsten
Berührung, man fürchtet, der Arm könne abbrechen.
Das von E. R. Nele für die Präsentation gewünschte Bett aus Sand kommt von den
kanarischen Inseln. Die Feuer der Vulkane hinterlassen ihre Asche als schwarzen
Sand an den Stränden von La Palma.
E. R. Nele hatte so großen Respekt vor dem Himmelsbrett, dass sie die die zuerst
erwogene Befestigung mittels zweier Schrauben verwarf und eine geschickte
Metallspangen-Klemmvorrichtung konstruierte, die vom Holzwurmbefall her
vorhandene Löcher ausnutzt.


© Kurt-Willi Julius

E.R. Nele übergibt ihr Werk an den Förderkreis-Vorsitzenden Kurt-Willi Julius;
Vöhl, Juli 2004
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