Vöhl – Das jüdisch-iranische Quintett Sistanagila begeisterte mit Crossover light und einem finalen Tabubruch die Zuhörer in der Vöhler Henkelhalle, dem Ausweichspielort für ein Konzert im Rahmen der Reihe „Hör mal im Denkmal“. Denn als spontan mitgetanzte Zugabe spielte das iranisch-jüdische Quintett „Hava Nagila“.

Dank dem frischen Zugang der fünf spielfreudigen Musiker klang der vermeintlich überstrapazierte Klassiker aber so anders, dass niemand im Vorstand des Fördervereins Synagoge Vöhl daran Anstoß nahm, dass das Hausverbot für allzu vernutzte Klänge ignoriert wurde.

Zumal der chassidische Niggun nicht nur Teil des Bandnamens ist, sondern auch zur Gründungslegende des in Berlin ansässigen Ensembles gehört, in dem Musiker aus miteinander verfeindeten Staaten eine neue musikalische Einheit bilden.

Die Offenheit für Einflüsse aus unterschiedlichen Stilrichtungen und Traditionen gehört zu den Stärken des Ensembles, das nicht persische Traditionen, jüdische Musikkulturen, sondern auch Latin Jazz und Ambient-Elemente ins Klangbild integriert.

Zur Premiere geriet ein bislang als Tomprak-Solo gespieltes Stück von Percussionist Jawad Salkhordeh, das Omri Abramov, der dem Sound der Band sonst mit dem Saxophon Flügel verleiht, zur improvisierten Konversation am Synthesizer weiter entwickelt hatte. Zwei Sätze aus einer Jahreszeiten-Suite, in der unterschiedliche Klimata und die Wetterphänomene in gegensätzlichen Landschaften in musikalische Bilder umgesetzt werden, gerieten zur ganz großen Reise.

Mit heller Stimme markierte Yuval Halpern den Unterschied zu maximal virtuosen Fusion-Ensembles wie Johannes-Krampen-Trio, Quadro Nuevo oder Tango Transit, die als reine Instrumentalisten schon einen höheren Grad von Intensität und Variabilität erreichen.

Denn während der musikalische Mastermind den Stammplatz an den Keyboards verlässt und mit dem Mikro an die Rampe tritt, können sich gerade Zuhörer, die es nicht permanent nach komplexen Mixturen voll raffinierter Sprünge durch diverse Stile verlangt, entspannt von der im Singer-Songwriter-Stil eingekleideten sephardischen Ballade „La Reine Jerifa“ verzaubern lassen. Vom mittelalterlichen Gewand der Geschichte von der Königin, die in der zum Zeitvertreib angeschafften Sklavin eine vermisste Schwester wieder erkennt, ist nichts mehr übrig geblieben.

Fazit: Die Schwergewichte der Fusion-Szene haben schon eine klarere musikalische Handschrift, auch für Klezmer-Puristen oder Traditionalisten wird die stilistische Vielfalt von Sistanagila vielleicht allzu beliebig wirken, aber dazwischen gibt es sicherlich eine breite Mitte, deren Ansprüchen die leichte Muse des Quintetts sicher sehr entgegen kommt.