Vöhl – Ver­leiht ei­ne Re­li­gi­on Kraft in schwie­ri­gen Zei­ten? Ein her­aus­for­dern­des The­ma hat­ten sich die Mit­glie­der des Pro­jekts „Wei­ße Tau­be“, die sich seit meh­re­ren Jah­ren zu in­ter­re­li­giö­sen Ge­sprä­chen tref­fen, für ih­re Po­di­ums­dis­kus­si­on in der ehe­ma­li­gen Syn­ago­ge in Vöhl ge­stellt. Es gab vier un­ter­schied­li­che ge­dank­li­che An­sät­ze, aber auch man­che Ge­mein­sam­kei­ten.

Zu­nächst hat­te der Vor­sit­zen­de des För­der­krei­ses der ehe­ma­li­gen Vöh­ler Syn­ago­ge, Karl-Heinz Stad­ler, die Gäs­te be­grü­ßt und ei­ne kur­zen Ab­riss über die Ge­schich­te des Hau­ses im 20. Jahr­hun­dert ge­ge­ben. Dann ging es mit kur­zen State­ments der Ver­tre­ter der vier ver­tre­te­nen Re­li­gio­nen ins The­ma.

Die Grund­la­ge des Ju­den­tums sei Ge­bet, Nächs­ten­lie­be und Um­kehr, sag­te Ar­man­do Si­mon-Thie­len und ging dann auf Pha­sen der jü­di­schen Ge­schich­te ein. Die Ju­den hät­ten vie­le Kri­sen in ih­rer Ge­schich­te er­lebt, im Exil in Ägyp­ten oder der ba­by­lo­ni­schen Ge­fan­gen­schaft bei­spiels­wei­se. Die zehn Ge­bo­te sei­en ih­nen ge­ge­ben wor­den, um für die Ver­bes­se­rung der Welt ein­zu­tre­ten und die Tho­ra, als „die trans­por­ta­ble Hei­mat der Ju­den“.

Franz Harb­ecke sprach aus christ­li­cher Per­spek­ti­ve. Und be­gann gleich mit kri­ti­schen Wor­ten. Die Rol­le der Re­li­gi­on in der Co­ro­na­zeit sei eher von Kraft­lo­sig­keit ge­prägt wor­den. Os­tern und an­de­re wich­ti­ge Fes­te sei­en aus­ge­fal­len: „Ha­ben wir da Kraft ge­zeigt?“ Das Zen­trum der Kraft der Chris­ten sei der Glau­be an Gott und an Je­sus Chris­tus. Je­sus ha­be die Lie­be Got­tes zu den Men­schen vor­ge­lebt, ge­heilt und ge­trös­tet. Das wer­de auch heu­te von den Chris­ten er­war­tet. Vie­le hät­ten sich in der Zeit der Pan­de­mie für an­de­re ein­ge­setzt. Kraft kom­me un­ter an­de­rem aus dem Ge­bet: „Dann wird die Angst klei­ner.“

In Kri­sen ist Ge­duld das Wich­tigs­te, sag­te Mu­ham­met Bal­kan aus Sicht des Is­lam. Gott ge­be Hoff­nung, Zu­flucht und Ge­duld. Kri­sen sei­en die Ge­le­gen­heit, die Gott­ver­ges­sen­heit zu über­win­den und Mit­leid und Er­bar­men für an­de­re an­zu­wen­den.

Dr. Ber­nar­do Fritz­sche be­trach­te­te die Rol­le der Re­li­gi­on in der Kri­se zu­nächst als Bahá’í und Me­di­zi­ner. Stu­di­en hät­ten ge­zeigt, dass Re­li­gi­on die Re­si­li­enz stei­ge­re, das schaf­fe Schutz für an­de­re. Auch die Hei­li­gen Schrif­ten könn­ten in Kri­sen hel­fen, Ängs­te zu be­sie­gen und Kraft ge­ben, sich und die Welt zu ver­än­dern.

Wie der Glau­be an die nächs­te Ge­ne­ra­ti­on wei­ter­ge­ge­ben wer­den kön­ne, woll­te je­mand aus dem Pu­bli­kum wis­sen. Im Ju­den­tum sei das zu­nächst Auf­ga­be der Mut­ter, die mit Ge­be­ten und Ri­tua­len den Tag für die Fa­mi­lie ge­stal­te, sag­te Si­mon-Thie­len. Von kleins­ten Kin­des­bei­nen an wür­den vie­le fröh­li­che jü­di­sche Fes­te mit der gan­zen Fa­mi­lie und auch der Ge­mein­de ge­fei­ert. Das sei sehr prä­gend.

Franz Harb­ecke sieht das Vor­bild der Äl­te­ren als Chan­ce für die Fa­mi­lie und Ge­sell­schaft. „Ma­chen kön­nen wir den Glau­ben nicht, nur vor­le­ben.“ Für Mu­ham­met Bal­kan ge­hört Re­spekt da­zu, den vie­le Jün­ge­re nicht von ih­ren El­tern vor­ge­lebt be­kä­men. Aber er hat auch sei­ne Zwei­fel, ob das in je­der Fa­mi­lie funk­tio­niert. Wenn er mit­er­le­be, wie sich man­che El­tern bei El­tern­aben­den auf­führ­ten, tä­ten ihm die Leh­rer leid. Auch für Ber­nar­do Frit­sche ist das Vor­bild das Wich­tigs­te. Die Bahá’í lü­den zu Kin­der­tref­fen ein, bei de­nen „Tu­gen­den“ ver­mit­telt wer­den soll­ten. So­zia­les Ver­hal­ten wür­de viel­fach in der Fa­mi­lie nicht ver­mit­telt, was frü­her in der Großfa­mi­lie selbst­ver­ständ­lich war, ver­lau­te­te aus dem Pu­bli­kum. Die müs­se im Bil­dungs­sys­tem bes­ser ver­an­kert wer­den. Auch ge­he es beim Be­wäl­ti­gen von Kri­sen nicht in ers­ter Li­nie um Re­li­gi­on, son­dern um den per­sön­li­chen Glau­ben, dar­in wa­ren sich die meis­ten dann ei­nig. Der Abend en­de­te mit Ge­be­ten aus den vier be­tei­lig­ten Re­li­gio­nen. Die Po­di­ums­dis­kus­si­on wur­de en­ga­giert mo­de­riert von Tahi­reh Setz.