Vöhl-Herz­hau­sen – Am Sams­tag, 19. De­zem­ber 1942, fünf Ta­ge vor Hei­lig­abend, führ­ten SS-Leu­te „auf Be­fehl des Reichs­füh­rers SS Himm­ler“ in ei­nem Wald­stück bei Herz­hau­sen, hoch über dem Eder­see, ei­ne bru­ta­le Schau­exe­ku­ti­on an sechs un­schul­di­gen pol­ni­schen Zwangs­ar­bei­tern aus. Sie wur­den ge­zwun­gen, un­ter ei­nem pro­vi­so­ri­schen Gal­gen zwi­schen Bäu­men mit Schlin­gen um den Hals auf ei­ne Bank zu stei­gen, die un­ter ih­ren Fü­ßen weg­ge­tre­ten wur­de. To­des­zeit­punkt war 12 Uhr 48, mit deut­scher Gründ­lich­keit in den Ster­be­ur­kun­den des Stan­des­amts Kir­chlo­t­heim ver­merkt.

Et­wa 200 vor­mit­tags aus der Wal­deck-Fran­ken­ber­ger Re­gi­on zu­sam­men­ge­trie­be­ne Po­len muss­ten der Hin­rich­tung an ih­ren Lands­leu­ten zu­schau­en und, an­ge­trie­ben von Kol­ben­stö­ßen, an den Ge­henk­ten vor­über­ge­hen.

An die­sen Mas­sen­mord am so­ge­nann­ten „Po­len­kreuz“ vor 80 Jah­ren soll am heu­ti­gen Sams­tag in ei­ner Ver­an­stal­tung, die be­reits seit Jahr­zehn­ten ei­nen fes­ten Platz in der Ge­denk­kul­tur der Ge­mein­de Vöhl hat, er­in­nert wer­den.

An­fangs war es ein in Ver­ges­sen­heit ge­ra­te­nes Kreuz mit schwar­zer Schrift­ta­fel, 1947 er­rich­tet von der UN­RRA (Not­hil­fe- und Wie­der­auf­bau­ver­wal­tung der Ver­ein­ten Na­tio­nen), mit dem die bis da­hin un­be­kann­ten Ter­ror­op­fer ge­wür­digt wur­den. Es sank nach 30 Jah­ren morsch in sich zu­sam­men.

All­jähr­lich ver­sam­mel­ten sich Mit­glie­der der Fran­ken­ber­ger Frie­dens­be­we­gung in Ei­gen­in­itia­ti­ve an der un­ge­lieb­ten Ge­denk­stät­te, bis end­lich die Ge­mein­de Vöhl in den 1980er-Jah­ren be­wusst die Ver­ant­wor­tung über­nahm und ein neu­es, gro­ßes Holz­kreuz er­rich­te­te.

In An­we­sen­heit von Ver­tre­tern der pol­ni­schen Bot­schaft und des Vor­sit­zen­den des Ver­ban­des der im Drit­ten Reich aus­ge­beu­te­ten Po­len, Michal Ga­wal­ki­wiez, fand im De­zem­ber 1987 ei­ne ers­te of­fi­zi­el­le Ge­denk­fei­er mit Ver­tre­tern aus Kir­che, Po­li­tik und Be­völ­ke­rung statt.

Schau­hin­rich­tun­gen von pol­ni­schen Zwangs­ar­bei­tern durch das NS-Re­gime wa­ren in den Kriegs­mo­na­ten des Jah­res 1942 in Nord­hes­sen kei­ne Sel­ten­heit. In Elln­ro­de wur­de be­reits am 26. Ok­to­ber 1942 der pol­ni­sche Zwangs­ar­bei­ter Ro­mu­ald Ku­c­zyn­ski, der zeit­wei­lig in Ei­fa und Wan­gers­hau­sen ein­ge­setzt ge­we­sen war, we­gen ei­nes tät­li­chen Streits mit ei­nem Lands­mann er­hängt. Auch hier muss­ten et­wa 75 Zwangs­ar­bei­ter „zur Ab­schre­ckung“ zu­se­hen.

Al­lein aus dem NS-„Ar­beits­er­zie­hungs­la­ger“ Brei­ten­au wur­den 18 pol­ni­sche Zi­vil­ar­bei­ter am Rand von Ort­schaf­ten we­gen ge­ring­fü­gi­ger Ver­feh­lun­gen oder Be­zie­hun­gen zu Frau­en („Ras­sen­schan­de“) oh­ne Ge­richts­ver­fah­ren hin­ge­rich­tet, un­ter ih­nen auch die se­lek­tier­ten sechs jun­gen Män­ner für Herz­hau­sen. Völ­lig will­kür­lich: Sie bü­ß­ten da­für, dass am 22. No­vem­ber 1942 der 27-jäh­ri­ge Po­le Ni­ko­lay Glusz­ko, Zwangs­ar­bei­ter im Gut Asel, mit dem Vor­wurf der „Brand­stif­tung“ auf dem Weg zum Amts­ge­richt in Kor­bach den ihn be­glei­ten­den Herz­häu­ser Hilfs­gen­dar­men Fritz Ha­mel um­ge­bracht hat­te. Dank sei­ner gu­ten Orts­kennt­nis konn­te sich der ge­flo­he­ne Glusz­ko wo­chen­lang in den Wäl­dern des Eder­sees ver­ber­gen. Mit ei­ner „Ab­schre­ckungs- und Süh­ne­maß­nah­me“ mein­te die Ge­sta­po nach vier Wo­chen oh­ne Fahn­dungs­er­folg die Be­völ­ke­rung be­ru­hi­gen zu kön­nen.

Erst im Ja­nu­ar 1943 ge­lang es im „Un­ter­neh­men Ban­fe“ 500 Arol­ser SS-Leu­ten ge­mein­sam mit Förs­tern und Wald­ar­bei­tern den Flüch­ti­gen in ei­nem Erd­loch bei Asel-Süd zu fin­den. Ei­ne Hand­gra­na­te ver­letz­te ihn dort töd­lich.