Vöhl/Fran­ken­berg – Es war ein be­son­de­rer Schab­bat­abend des Ge­den­kens in der Vöh­ler Syn­ago­ge. „Heu­te vor 90 Jah­ren be­gann ei­ne ver­hee­ren­de Di­men­si­on des Deut­schen Rei­ches, ei­ne Selbst­er­mäch­ti­gung mit dia­bo­li­schen Fol­gen“, er­klär­te Mat­thi­as Mül­ler, Leh­rer an der Fran­ken­ber­ger Eder­tal­schu­le, als er zu Be­ginn Hit­lers „Er­mäch­ti­gungs­ge­setz“ vom 24. März 1933, sei­nen his­to­ri­schen Hin­ter­grund, das letz­te ver­zwei­fel­te Auf­bäu­men des SPD-Ab­ge­ord­ne­ten Ot­to Wels und den be­gin­nen­den NS-Ter­ror in Wal­deck-Fran­ken­berg be­schrieb.

Da­bei nann­te er auch die Na­men von ers­ten po­li­tisch Ver­folg­ten wie Sieg­mund Kat­zen­stein oder Ri­chard Roth­schild in Vöhl, ver­wies auch auf die Mil­lio­nen Op­fer der Sho­ah. „Ich ver­nei­ge mich in De­mut vor ih­nen“, sag­te Mül­ler. Hoff­nungs­voll sah er trotz al­ler ak­tu­el­len For­men von Ge­walt und „Er­mäch­ti­gung“ aber auch ei­ne Kul­tur des Er­in­nerns, wie sie in der al­ten Syn­ago­ge Vöhl ge­pflegt wird, und zi­tier­te am En­de den Aa­rons­se­gen.

Da­zu woll­te Eve­lyn Frie­sen, Schü­le­rin der Eder­tal­schu­le in Fran­ken­berg, im Rah­men ih­rer mu­sik­päd­ago­gi­schen Aus­bil­dung an ei­ner Mu­sik­schu­le in Süd­hes­sen mit ei­nem selbst ent­wi­ckel­ten Mu­sik­pro­jekt und ei­ge­nen Ar­ran­ge­ments ih­ren per­sön­li­chen Bei­trag leis­ten.

Sie ge­wann da­für Mit­schü­le­rin­nen ih­res Gym­na­si­ums so­wie die Mu­sik­leh­re­rin Sa­rah Küp­fer (Quer­flö­te, Sa­xo­fon) und den Mu­sik­leh­rer Mat­thi­as Mül­ler (Kla­vier). Es be­glei­te­ten und un­ter­stütz­ten sie mit sicht­ba­rer Spiel­freu­de Lau­ra Staudt (Quer­flö­te), El­len Glotz (Gei­ge und Quer­flö­te), Jo­sina Schütz (Quer­flö­te), Li­sa Rich­ter (Cel­lo) und Do­ro­thee Schwarz (Quer­flö­te).

Aus­ge­wählt für ihr mu­si­ka­li­sches Ge­den­ken an die Op­fer der NS-Dik­ta­tur hat­te Eve­lyn Frie­sen, die auch durch das Pro­gramm führ­te, be­wusst „kei­ne Kon­zert­stü­cke“. Aber sie woll­te den­noch ver­mit­teln, „dass Mu­sik ver­bin­den und er­in­nern, Mut und Freu­de ma­chen kann“. Es er­klan­gen das me­lan­cho­li­sche The­ma aus „Schind­ler’s List“, das hoff­nungs­vol­le is­rae­li­sche Tra­di­tio­nal „Tree Of Life“ oder Va­ria­tio­nen aus „La Vi­ta è Bel­la“ von Ni­co­la Pio­va­ni, ar­ran­giert von Eve­lyn selbst. In bes­ter, vom Kla­vier an­ge­trie­be­ner Swing­ma­nier ließ das En­sem­ble mit Sän­ge­rin Le­ni Hoff­mann das jid­di­sche Mu­si­cal­stück „Bei mir bist du schön“ auf­strah­len. Das Ghet­to-Lied von Le­jb Ro­sen­thal „Mir le­ben ej­big“ („Wir le­ben ewig, es brennt die Welt“) drück­te aus, was Eve­lyn Frie­sen als Ziel for­mu­liert hat: „Auf dass so et­was nie wie­der pas­siert!“

Fröh­li­che Lie­der von En­geln als Bo­ten des Frie­dens („Shalom Alei­chem“) und Glück („Ma­zel Tov!“) um­rahm­ten am En­de die klei­ne Kid­dusch-Fei­er, bei der Sa­rah Küp­fer nach jü­di­schem Ri­tus ei­nen Be­cher Wein und die Sab­bat­bro­te („Chal­lot“) seg­ne­te und da­mit den Schab­bat er­öff­ne­te. Al­le Kon­zert­gäs­te in der Syn­ago­ge konn­ten dar­an teil­neh­men.

Es gab am En­de lang an­hal­ten­den, herz­li­chen Bei­fall von al­len Be­su­chern und Karl-Heinz Stadt­ler, aber auch von In­itia­to­rin Eve­lyn Frie­sen selbst, die sich mit Ro­sen bei al­len Kol­le­gin­nen für ih­re tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung be­dank­te.