Dienstag, 28. März 2023, Waldeckische Landeszeitung / Lokales
Gedenken am Schabbat-Abend
Schülerinnen erinnern in Synagoge mit Musikrojekt an Ermächtigungsgesetz
VON KARL-HERMANN VÖLKER
Vöhl/Frankenberg – Es war ein besonderer Schabbatabend des Gedenkens in der Vöhler Synagoge. „Heute vor 90 Jahren begann eine verheerende Dimension des Deutschen Reiches, eine Selbstermächtigung mit diabolischen Folgen“, erklärte Matthias Müller, Lehrer an der Frankenberger Edertalschule, als er zu Beginn Hitlers „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, seinen historischen Hintergrund, das letzte verzweifelte Aufbäumen des SPD-Abgeordneten Otto Wels und den beginnenden NS-Terror in Waldeck-Frankenberg beschrieb.
Dabei nannte er auch die Namen von ersten politisch Verfolgten wie Siegmund Katzenstein oder Richard Rothschild in Vöhl, verwies auch auf die Millionen Opfer der Shoah. „Ich verneige mich in Demut vor ihnen“, sagte Müller. Hoffnungsvoll sah er trotz aller aktuellen Formen von Gewalt und „Ermächtigung“ aber auch eine Kultur des Erinnerns, wie sie in der alten Synagoge Vöhl gepflegt wird, und zitierte am Ende den Aaronssegen.
Dazu wollte Evelyn Friesen, Schülerin der Edertalschule in Frankenberg, im Rahmen ihrer musikpädagogischen Ausbildung an einer Musikschule in Südhessen mit einem selbst entwickelten Musikprojekt und eigenen Arrangements ihren persönlichen Beitrag leisten.
Sie gewann dafür Mitschülerinnen ihres Gymnasiums sowie die Musiklehrerin Sarah Küpfer (Querflöte, Saxofon) und den Musiklehrer Matthias Müller (Klavier). Es begleiteten und unterstützten sie mit sichtbarer Spielfreude Laura Staudt (Querflöte), Ellen Glotz (Geige und Querflöte), Josina Schütz (Querflöte), Lisa Richter (Cello) und Dorothee Schwarz (Querflöte).
Ausgewählt für ihr musikalisches Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur hatte Evelyn Friesen, die auch durch das Programm führte, bewusst „keine Konzertstücke“. Aber sie wollte dennoch vermitteln, „dass Musik verbinden und erinnern, Mut und Freude machen kann“. Es erklangen das melancholische Thema aus „Schindler’s List“, das hoffnungsvolle israelische Traditional „Tree Of Life“ oder Variationen aus „La Vita è Bella“ von Nicola Piovani, arrangiert von Evelyn selbst. In bester, vom Klavier angetriebener Swingmanier ließ das Ensemble mit Sängerin Leni Hoffmann das jiddische Musicalstück „Bei mir bist du schön“ aufstrahlen. Das Ghetto-Lied von Lejb Rosenthal „Mir leben ejbig“ („Wir leben ewig, es brennt die Welt“) drückte aus, was Evelyn Friesen als Ziel formuliert hat: „Auf dass so etwas nie wieder passiert!“
Fröhliche Lieder von Engeln als Boten des Friedens („Shalom Aleichem“) und Glück („Mazel Tov!“) umrahmten am Ende die kleine Kiddusch-Feier, bei der Sarah Küpfer nach jüdischem Ritus einen Becher Wein und die Sabbatbrote („Challot“) segnete und damit den Schabbat eröffnete. Alle Konzertgäste in der Synagoge konnten daran teilnehmen.
Es gab am Ende lang anhaltenden, herzlichen Beifall von allen Besuchern und Karl-Heinz Stadtler, aber auch von Initiatorin Evelyn Friesen selbst, die sich mit Rosen bei allen Kolleginnen für ihre tatkräftige Unterstützung bedankte.