© Armin Hennig / WLZ 12.12.17
Paul Hoorn gastiert mit seinen musikalischen Freunden in Vöhl

Vöhl. Die ketzerischen Weihnachtsoratorien von Paul Hoorn und seinen musikalischen Freunden gehören gewissermaßen schon zur Tradition in der Alten Synagoge in Vöhl.
Aber nicht nur deshalb war das um Ali Pirabi zum Quartett verstärkte Multi-Instrumentalisten-Ensemble aus Dresden mit seinem Programm „Wir Waisen aus dem Abendland“ die denkbar beste Wahl für das 150. Synagogenkonzert.Bestätigung von Hörgewohnheiten gehört nämlich nicht zum Konzept, eher schon bestürzende Einsichten in nie geahnte Abgründe. Für die kritische Auseinandersetzung mit dem in der (Wahl)Heimat Dresden zum politischen Kampfbegriff entwerteten „Abendland“ verschob auch Paul Hoorn seinen ersten Einsatz als wortgewandter Poet-Prophet vergleichsweise weit nach hinten.
Stattdessen beschränkte sich der Deuter bei Ali Pirabis Konzerteröffnung auf kurze Akzente mit dem Chalumeau und ließ erst einmal eine Konfrontation des an Weltmusik-Crossover-Cocktails gewohnten Zuhörer mit Persien pur zu. Wegen der Vertonung des 700 Jahre alten Gedichts des persischen Dichters, der Goethe zum West-Östlichen Divan inspiriert hatte, erhielt Ali Pirabi ein Berufsverbot im Iran. Mit der Schließung der Musikschule entfiel auch die Lebensgrundlage für den Musiker, der neben einer breiten Auswahl von orientalischen Instrumenten auch immer wieder zur Geige griff und damit Katerina Petrova größere Spielräume am Bass eröffnete.
Epischer Höhepunkt des zweiten Teils war das multikulturelle Fresko „Abendland“, eine musikalische Collage, die auf der Suche nach neuer Gewissheit sämtliche Wertsetzungen hinterfragte. Im Verlauf des musikalischen Gipfelwerks auf der Basis von André Hellers Lyrik steuerte Paul Hoorn ein paar ironische Takte Mozart ein, ehe Katerina Petrova mit einer existenziell-verfremdeten Interpretation von „Ich steh an deiner Krippen hier“ den Rahmen in Richtung Bach und Barock erweiterte.
Als musikalischer advocatus diaboli führte schließlich Matthias Manz das „Stairway to Heaven“ des bekennenden Satanisten Jimmy Page in den abendländischen Diskurs ein, zugleich die musikalische Grundlage für Paul Hoorn, um sämtliche Zweifel an den traditionellen Wegen zum Himmel und den Wunsch nach echter Versöhnung zu artikulieren. (ahi)