14.9.2024, Große Bandbreite der Musik präsentiert

Große Bandbreite der Musik präsentiert

Musikschüler aus Frankenberg haben beeindruckendes Konzert in Vöhler Synagoge gegeben

Frankenberger Musikschüler haben das Publikum in der Synagoge begeistert. Foto: SynagogePR

Vöhl – Die zahlreichen Besucher waren sich einig: Das war ein großartiges Konzert der Frankenberger Musikschüler, das Sahra Küpfer am Tag des offenen Denkmals in der Vöhler Synagoge auf die Beine gestellt hat.

Sahra Küpfer, in Personalunion Vorstandsmitglied im Vöhler Förderkreis und Musikpädagogin in der Frankenberger Musikschule, hat zum wiederholten Male ihren Schülerinnen und Schülern Gelegenheit gegeben, sich in der Vöhler Synagoge mit ihrer einzigartigen Akustik öffentlich zu präsentieren.

Von einigen jungen Musikerinnen, die sie zum Teil seit 16 Jahren unterrichtete, hat sie sich bei dieser Gelegenheit verabschiedet. Mehrere von ihnen haben schon öfter Veranstaltungen in der Synagoge einen musikalischen Rahmen gegeben.

Eröffnet wurde der Nachmittag von einem Sextett auf Querflöten: Laura Staudt, Anna Schwarz, Evelyn Friesen, Maja Rauch, Ellen Glotze und Sahra Küpfer boten zunächst eine Chaconne von Georg Friedrich Händel als feierlichen Beginn des Konzerts. In einem harmonischen Miteinander der Flöten war die Spielfreude der Musikerinnen deutlich zu erkennen. Ebenfalls von Händel war die „Ankunft der Königin von Saba“, lebhaft und festlich dargebracht. Auch gegen Ende traten die sechs Musikerinnen nochmal mit dem „Russischen Tanz“ von Thomas Hamori auf, den sie mit hoher Geschwindigkeit sehr sicher darboten.

Die 18-jährige Anna Ssubi, immerhin Gewinnerin eines ersten Preises im bundesweiten Wettbewerb „Jugend musiziert“, spielte, ebenfalls auf der Querflöte, einige Variationen von „Die Feldflasche“ von Raphael Dressler. Unheimlich leicht und beschwingt bei hoher Geschwindigkeit und sauberer Intonation stellte sie auch „Le Basque“ des französischen Komponisten Marin Marais vor.

Es wurde auch gesungen, am Klavier begleitet von Matthias Müller, Musiklehrer an der Edertalschule; Merle und Julie trugen „All about that bass“ von Magan Trainor und dann den Klassiker „Mamma mia“ von Abba vor, den die Zuhörerinnen und Zuhörer am liebsten mitgesungen hätten. Stark war auch die 18-jährige Leni Hofmann, die Händels „Lascia Ch’io Pianga“ von Händel vortrug und die Rockballade „My Immortal“ von Evenecence mit ihrer wunderschönen Sopranstimme sehr ausdrucksstark darbrachte.

Das Tenorsaxophon-Duo Sahra Küpfer/Ingo Stotz bot einen voluminösen Klang bei aus chassidischer Tradition stammenden „Nigun bracha“, Lieder zum Segen, gefühlvoll und melodisch vorgetragen. Absolut virtuos war wieder einmal der Pianist Josel Strauch, langjähriges Mitglied des Sinfonieorchesters der Edertalschule Frankenberg, der zum wiederholten Male in der Vöhler Synagoge musizierte. Seine Version der sehr modernen und mit jazzigen Elementen gespickten „Asturias“ von Joja Wendt war großartig. Auch die Polonaise von Frédéric Chopin, eines seiner bekanntesten und bedeutendsten Klavierwerke, gefiel außerordentlich.

Den Schluss des Konzerts in der Vöhler Synagoge gestaltete die Liedermacherin Beate Lambert. Sie weckte die Neugier des Publikums, als sie einen Liederzettel verteilte. Doch alle sangen gerne mit, als sie das von ihr getextete Lied „Zeit der Wende“ zur Melodie von Beethovens „Ode an die Freude“ anstimmte.

Karl-Heinz Stadtler, Vorsitzender des Fördervereins der Vöhler Synagoge, dankte zum Abschluss Sahra Küpfer, Matthias Müller, Beate Lambert und den jungen Musikerinnen und Musikern mit einem kleinen Geschenk für das großartige Konzert und die Bereitschaft der Jugendlichen, immer mal wieder Veranstaltungen des Vöhler Förderkreises mit ihrer Musik zu bereichern.  red

10.9.2024, Und weil der Mensch ein Mensch ist

 

„Und weil der Mensch ein Mensch ist“

Ensemble „Die Grenzgänger“ beeindruckt mit anregendem Programm in der Synagoge Vöhl

Geschichte erlebbar machen: Das Ensemble „Die Grenzgänger“ präsentierte in der Vöhler Synagoge Lieder aus sechs Jahrhunderten. Foto: Dr. Hartmut Wecker

Vöhl – „Und weil der Mensch ein Mensch ist“: Unter dieses Motto, eine Textzeile aus dem „Einheitsfrontlied“ von Bert Brecht und Hans Eisler, hatte das Bremer Ensemble „Die Grenzgänger“ das Programm gestellt, das es am vergangenen Samstag, am Vorabend des „Tags des offenen Denkmals“, in einem Konzert in der alten Synagoge Vöhl präsentierte.

„Die Grenzgänger“, das sind Michael Zachical (Gitarre, Gesang, Moderation), Frederic Drobnjak (Gitarre); Annette Rettich (Cello) und Felix Kroll (Akkordeon). Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, Geschichte erlebbar und erfahrbar zu machen und zwar anhand von (oft vergessenen) Liedern, die das Zeitgeschehen aus der Sicht der „sogenannten kleinen Leute aus Fabrik, Straße und Alltag“ (Programmtext) reflektieren.

Im Repertoire haben „Die Grenzgänger“ Lieder aus sechs Jahrhunderten, Volkslieder in dem Sinne, dass ihre Entstehung nicht einem primär ästhetisierenden Kalkül geschuldet ist, sondern die persönliche und individuelle Sichtweise von Menschen in zum Teil existenziell bedrohlichen Lebenssituationen in den Fokus stellt. In diesem Fall waren es zunächst Lieder, die in der Zeit des Nationalsozialismus in deutschen Konzentrationslagern entstanden sind. Quelle dafür war das 1962 in Leipzig erschiene Liederbuch „Lieder aus faschistischen Konzentrationslagern“ der Musikwissenschaftlerin Inge Lammel, die auch das Abeiterliedarchiv an der Ost-Berliner Akademie der Künste aufgebaut hatte.

Diese Lieder schildern das Leid, die Entwürdigung und Erniedrigung in den Konzentrationslagern, aber ihnen allen gemeinsam ist, das sie nicht in Resignation erstarren, sondern der unerschütterlichen Hoffnung Ausdruck geben, dass sich alles zum Besseren wenden und die gute Sache siegen wird.

Michael Zachical trug die Stücke sehr eindringlich mit, wandlungsfähiger, facettenreicher und ausdrucksstarker Stimme vor, einfühlsam begleitet von den anderen Mitgliedern des Quartetts. Alle vier sind Vollblutmusiker, die ihre Instrumente in Perfektion beherrschen und durch ihr virtuoses Spiel das Publikum immer wieder zu Beifallsstürmen motivierten.

Michael Zachical verband die einzelnen Stücke mit klugen und kenntnisreichen Kommentaren, die einerseits die Umstände der Entstehung verdeutlichten und darüber hinaus die Texte auch in ihrem politischen, sozialen und kulturelle Kontext verorteten.

Musikalisch dominierten swingende Melodien, die Vitalität und Lebensfreude ausstrahlten, auch dort, wo eigentlich ein Marschrhythmus im Urtext vorgesehen war. Aber musikalische Formen wie der Marsch, die die Individualität des Menschen in der gleichgeschalteten Masse auflösen, haben in der musikalischen Sprache der „Grenzgänger“ keinen Platz. Selbstverständlich waren in der Vöhler Synagoge aber auch bekannte Stücke zu hören wie zum Beispiel das titelgebende Einheitsfrontlied oder die praktisch schon zu einem Volkslied gewordenen „Moorsoldaten“.

„Lili Marlen“, das bereits 1915 entstanden und vom Autor Hans Leip mit einer eigenen Melodie versehen worden war, konnte man in dieser Urfassung hören, die sehr viel persönlicher und emotionaler klang als die heute verbreitete „marschierende“ Version von Norbert Schultze.

Als Zugabe gab es die Europahymne, Beethoven/Schillers Ode an die Freude, in einer swingenden Version, an der auch Chuck Berry seine Freude gehabt und eingestimmt hätte.

Insgesamt war dies ein sowohl musikalisch wie auch intellektuell anregendes Programm und das Publikum war sich darin einig, dass eine Fortsetzung unbedingt folgen sollte.

31.7.2024, Landkulturboten informieren über Synagoge

 

Landkulturboten informieren über Synagoge

Elias Räbiger und Joona Daniel bieten Führungen für Besucherinnen und Besucher an

Gut vorbereitet: Elias Räbiger (links) hält eine Chanukka, Joona Daniel zeigt ein Schofarhorn. Foto: Synagoge Vöhl/pr

Vöhl – Auch in dieser und in der nächsten Woche ist die ehemalige Vöhler Synagoge montags bis freitags von 8 bis 12 und von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

Die beiden Landkulturboten Elias Räbiger aus Vöhl und Joona Daniel aus Marienhagen haben sich gut darauf vorbereitet, Besucherinnen und Besucher durch das Gottes- und Versammlungshaus der früheren jüdischen Gemeinde zu führen.

Sie können erklären, wie der Sakralraum früher ausgesehen hat, warum das Gebäude während der Pogromnacht 1938 und auch nach dem Krieg nicht zerstört wurde, und sie zeigen im kleinen Museum viele interessante Erinnerungsstücke.  red

19.7.2024, Landkulturbotinnen führen durch die Synagoge

 

Landkulturbotinnen führen durch die Synagoge

Sophie Wensel und Lynn Winter heißen Gäste willkommen

Füh­run­gen bis zum 26. Ju­li bie­ten die Schü­le­rin­nen So­phie Wen­sel (links) und Lynn Win­ter an. Fo­to: syn­ago­ge vöhl/pr

Vöhl – Das Land­kul­tur­bo­ten­pro­jekt hat be­gon­nen. Zum sieb­ten Mal ist die Syn­ago­ge in der Vöh­ler Mit­tel­gas­se wäh­rend der Som­mer­fe­ri­en ge­öff­net. Seit Mon­tag ver­gan­ge­ner Wo­che kön­nen In­ter­es­sier­te das ehe­ma­li­ge jü­di­sche Got­tes- und Ver­samm­lungs­haus in der Zeit von 8 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr be­su­chen.

Bis zum 26. Ju­li bie­ten die Schü­le­rin­nen So­phie Wen­sel und Lynn Win­ter dort Füh­run­gen an. Sie er­klä­ren das frü­he­re Aus­se­hen des Sa­kral­raums, schil­dern die Ge­schich­te des Ge­bäu­des und der jü­di­schen Ge­mein­de und zei­gen die zahl­rei­chen Kult­ge­gen­stän­de, die sich im Ober­ge­schoss der Syn­ago­ge be­fin­den. Als sie ih­re Tä­tig­keit am Mon­tag be­gan­nen, wur­den So­phie Wen­sel und Lynn Win­ter gleich vor ei­ne her­aus­for­dern­de Auf­ga­be ge­stellt: Eng­lisch­spra­chi­ge Nach­fah­ren Vöh­ler Ju­den, die zum Ju­bi­lä­um des För­der­krei­ses nach Vöhl ge­kom­men wa­ren, woll­ten vor ih­rer Ab­rei­se von So­phie und Lynn durch das Ge­bäu­de ge­führt wer­den. Schwie­rig ge­stal­te­te es sich vor al­lem des­halb, weil sie sich mit ei­nem deutsch­spra­chi­gen Skript vor­be­rei­tet hat­ten.

Al­le wa­ren sich am en­de Ei­nig: Die bei­den Land­kul­tur­bo­tin­nen ha­ben die Pro­be mit Bra­vour be­stan­den.

In flie­ßen­dem Eng­lisch par­lier­ten sie mit den Gäs­ten. Die Ame­ri­ka­ner wa­ren von dem Vor­trag be­geis­tert, und För­der­kreis-Vor­sit­zen­der Karl-Heinz Stadt­ler zoll­te den Mäd­chen gro­ßen Re­spekt.

Ge­för­dert wird das Pro­jekt Land­kul­tur­bo­ten in die­sem Jahr durch das Netz­werk für To­le­ranz Wal­deck-Fran­ken­berg im Rah­men des Bun­des­pro­gramms „De­mo­kra­tie le­ben!“ vom Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­ri­um und im Rah­men des Lan­des­pro­gramms „Hes­sen ak­tiv für De­mo­kra­tie, ge­gen Ex­tre­mis­mus“ vom Land Hes­sen.  red

18.7.2024, Lustig, lautstark, liebevoll

 

Lustig, lautstark, liebevoll

Weltmusik mit „Aquabella“ in der Vöhler Synagoge

Vielseitige Stimmen: (von links) Nina Gronich, Maria Thomaschke, Pamela Neuffer und Bettina Stäbert als Quartett „Aquabella“ Foto: hans peter osterhold

Vöhl – Lieder aus der ganzen Welt hatte das bekannte Quartett „Aquabella“ am vergangenen Samstag mitgebracht für sein Konzert in der Synagoge in Vöhl. Das Frauen-Vokal-Ensemble singt und tanzt Weltmusik in 18 Sprachen, in klanglicher Vielfalt und alles A cappella.

So ging es in der voll besetzten Synagoge, dabei waren auch die Gäste zur Feier des 25-jährigen Bestehens des Förderkreises, einmal um die Welt. Die vier Sängerinnen entführten in fremde Länder, sangen viel über Träume, Liebe, Herz und Schmerz, mal lautstark und wieder ganz leise, lustig und beschwingt und darauf besinnlich und melancholisch.

Vier unterschiedliche Stimmlagen, vier verschiedene Charaktere traten auf, alles wurde mit viel Bewegung und ganz viel Humor und großer Souveränität präsentiert. Zwischen den einzelnen Stücken gab es viele Informationen über die Herkunftsländer, Bräuche und Hintergründe der Lieder. Das Publikum ging von der ersten bis zur letzten Minute begeistert mit, und wurde zwischenzeitlich auch zum Mitsingen aktiviert.

Das Liebeslied aus Algerien kam als Wechselgesang mit kanonartigen Einlagen, das Weihnachtslied aus Spanien mit pantomimischen Darstellungen. Es gab Interessantes über die Herkunft der Lieder zu erfahren, etwa über das Volk der Roma, die zwar eine eigene Sprache, aber keine Heimat haben und immer lokale Einflüsse verarbeiten. Schwermütig mit Pathos und viel Theatralik.

Bulgarien habe eine ausgeprägte Frauengesangskultur, erfuhr das Publikum, und das vorgetragene Lied beschrieb den Wettstreit zwischen einer Sängerin und einer Nachtigall. Die Gäste wurden dann auf eine ägyptische Weide geführt mit sanftem akustischem Rhythmus dazu. Den gab es auch zum zügigen Lied aus Georgien, das die Erkenntnis verbreitet „Man ist nie so ganz alleine“, was auch so etwas wie ein Motto des Abends sein könnte.  os

15.7.2024, Erinnerungskultur verändern

 

Erinnerungskultur verändern

Gedenkstätten wollen mehr gesellschaftliche Gruppen erreichen

Waldeck-Frankenberg – Die Arbeit von nordhessischen Gedenkstätten soll breiter aufgestellt werden. Das Erinnern an jüdisches Leben und an die Judenverfolgung soll mehr Menschen erreichen, es soll interaktiver und multimedialer werden. Das wurde am Samstag bei einer Podiumsdiskussion während der Feier zum 25-jährigen Bestehen des Förderkreises Synagoge in Vöhl deutlich.

„Wir sind in Nordhessen gut aufgestellt mit Erinnerungsinitiativen, und wir arbeiten gut zusammen“, sagte Karl-Heinz Stadtler, Vorsitzender des Förderkreises Synagoge Vöhl zur Begrüßung. Gerade die kleineren Orte leisteten wichtige Arbeit, die viel bewirke, sagte der Moderator Professor Dietfrid Krause-Vilmar. Bei der Diskussion ging es darum, wie die Geschichte künftig auf moderne Weise allen Generationen vermittelt werden kann.

„Wir müssen uns bei der Art der Erinnerungskultur öffnen und partizipativ andere mitnehmen“, sagte Dr. Marion Lilienthal aus Korbach. Warum nicht einmal die Freiwillige Feuerwehr bei einer Gedenkveranstaltung zur Unterstützung mit einbeziehen? „Wir müssen auf die Menschen zugehen und mit ihnen zusammen etwas gestalten“, sagte auch Dr. Martin Arnold, Vertreter der Synagoge in Abterode. Über die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen könnten auch mehr Erwachsene erreicht werden, die sonst kaum Interesse an dem Thema hätten, meinte Julia Drinnenberg, Museumspädagogin in Hofgeismar. Dr. Wolfgang Werner vom Verein Rückblende – gegen das Vergessen aus Volkmarsen sagte deutlich: „Unsere Gedenkstätten sind exklusive Orte. Ein Großteil der Bevölkerung hat mit uns nichts zu tun.“ Besonders spannend sei es, wie die Gruppe der 30- bis 50-Jährigen besser zu erreichen sei. Bei der Arbeit mit Schülern haben alle positive Erfahrungen gesammelt.

So hätten sich beispielsweise solche Angebote bewährt, bei denen junge Menschen die Geschichte über interaktive Workshops erfahren und es biografische und lokalgeschichtliche Zugänge gibt. Das ist die Erfahrung von Sebastian Sakautzki, der auf dem Podium das Museum Trutzhain vertrat. Man müsse sich neu ausrichten, da es auch immer weniger Ehrenamtliche gebe, die sich dauerhaft für die Erinnerungskultur stark machen, sagte Dr. Annegret Wenz (Landsynagoge Weimar-Roth).

Zum Förderkreis-Jubiläum gab es viele Veranstaltungen, so auch die Enthüllung von Gedenktafeln, wo früher Juden wohnten.

15.7.2024, Die Erinnerungen an jüdische Familien

 

Die Erinnerungen an jüdische Familien lebendig werden lassen

Drei Haustafeln in Vöhl werden feierlich enthüllt – Persönliche Schicksale und emotionale Reden von Nachfahren

Carol Davidson-Baird aus San Diego. Ihre Urgroßeltern wohnten in diesem Haus auf dem Schulberg. Foto: Stefanie Rösner

Vöhl – Dieser eine Moment bedeutet Carol Davidsohn-Baird so viel. Sie darf die Haustafel enthüllen am Fachwerkhaus auf dem Schulberg, in dem ihre Urgroßeltern wohnten. Carol Bairds Familie aus den USA ist mit dabei – ihr Mann Steve, ihre Söhne Daniel und Geoffrey, Schwiegertochter Denise und die Enkelkinder Flynn, Galen, Noah und Talia.

„Als 14-Jährige kam ich zum ersten Mal nach Vöhl. Damals ahnte ich nicht, dass ich eines Tages mit meiner ganzen Familie zurückkehren würde, um die Erinnerung an meine Großeltern zu feiern, die Nazi-Deutschland verlassen mussten, und an meine Vorfahren, die zurückblieben und in den Konzentrationslagern umkamen.“

Carol Baird ist die Enkelin der in Vöhl geborenen Ida Frankenthal. Ida hatte den Holocaust überlebt, weil sie zusammen mit ihrem Ehemann Hugo Davidsohn und Sohn Ernst nach der Pogromnacht im November 1938 Deutschland über England in die USA verlassen hatte. Idas Schwester Beate wurde in Sobibor oder Majdanek ermordet, die Mutter Johanna in Theresienstadt. „Nun stehen wir hier, um acht Generationen der Frankenthal-Geschichte zu repräsentieren. Und hier stehe ich, um die Erinnerungen lebendig werden zu lassen, indem wir diese Gedenktafel enthüllen. Ich bin froh, diesem besonderen Ereignis mit meiner Familie beiwohnen zu dürfen und danke der Familie, die heute in diesem Haus wohnt, dass sie dem zugestimmt haben“, sagte Carol Baird in einer emotionalen Rede.

Der Handwerker Christian Schnatz aus Dorfitter hatte die Gedenktafel ebenso wie weitere für Vöhler Häuser errichtet, in denen früher Juden lebten. Am Samstag wurden zwei weitere im Beisein von Nachfahren früherer Hausbewohner feierlich enthüllt: eine am Haus Rothschild und eine dort, wo das Stammhaus der Mildenbergs stand, beide in der Arolser Straße.

Zudem wurde an dem Vormittag das neue Straßenschild für die Gasse neben der Synagoge eingeweiht. Dieses ist nach Salomon Bär benannt, der 40 Jahre Lehrer in Vöhl war. Hier gab es den Hinweis, dass bei der nächsten Gelegenheit ein Weg in Vöhl möglichst nach einer jüdischen Frau benannt werden sollte.  srs

15.7.2024, 25 JAHRE FÖRDERKREIS SYNAGOGE VÖHL

 

25 JAHRE FÖRDERKREIS SYNAGOGE VÖHL  Jubiläumsfeier mit Nachfahren jüdischer BürgerGeschichten der Vorfahren nähergebracht

 

  
Sahra Küpfer eröffnete mit einem Kiddusch, der Lobpreisung Gottes, den Sabbat und die Geburtstagsfeier.
 
  
Angehörige von Carol Davidsohn-Baird trugen beim Jubiläumsabend in der Synagoge gemeinsam ein Lied vor. Fotos: Barbara Liese

Es war eine ganz besondere Geburtstagsfeier, zu der sich am Freitagabend Gratulanten und Gastgeber in der ehemaligen Vöhler Synagoge trafen. Anlass war das 25-jährige Bestehen des Förderkreises Synagoge in Vöhl.

Vöhl – Der Abend war geprägt von Erinnerungen an die Anfänge des Förderkreises und daran, wie die Synagoge auch für die Nachfahren ehemaliger Vöhler Juden zu einem festen Ort der Begegnung und Erinnerung in ihrem Leben geworden ist.

Die Ehrengäste waren aus Kalifornien, Seattle, Utah New York, Israel und Hamburg angereist. Sie erzählten, wie sie auf der Suche nach ihren Vorfahren die Arbeit des Förderkreises kennenlernten. Der Vorsitzende Karl-Heinz Stadtler habe sich in den vergangenen Jahren mit großem Engagement und Wissen um die jüdische Kultur und Religion für die ehemalige Synagoge eingesetzt.

Carol Davidsohn-Baird, die mit ihrer Familie angereist war, machte in einer sehr persönlichen Rede deutlich, wie wichtig der Raum der Erinnerung für alle ist – Juden, Christen und Angehörige anderer Religionen.

„Es ist mir eine große Freude, dass unsere Kinder und Enkel den Weg der Erinnerung als großen Schritt in die Zukunft erkennen. Sie fühlen ebenso wie wir, dass hier ein Teil unseres Herzens schlägt. Wir sagen in der Familie immer ‚Healing in Hessen’ – ‚Heilung in Hessen’.“ Ihr Mann, Sohn und Enkel sangen anschließend das Lied „Hat niemand bemerkt, dass niemand zurückkam?“ – eine emotionale Erinnerung und gleichzeitig ein Aufruf, nicht mehr wegzusehen.

Elizabeth Foote aus Utah hat sich der Ahnenforschung verschrieben und berichtete von bewegenden Begegnungen, die sie im Rahmen ihrer aufwendigen Recherchen erlebte. „Mit der Unterstützung des Fördervereins habe ich vielen Menschen die Geschichten ihrer Vorfahren nähergebracht und viele neue, tiefe Freundschaften geschlossen. Wir werden auch in Zukunft gemeinsam die Erinnerungen wachhalten.“

Michael Dimor, Enkelsohn des Vöhler Juden Moritz Mildenberg, und seine Frau Helene sind in Israel zuhause. Der 87-Jährige besuchte Vöhl nicht zum ersten Mal. „Wir erleben im Augenblick einen großen Wandel. Es ist nichts Besonderes in der Geschichte, dass Menschen von einem Land zum anderen ziehen. Es ist auch nichts Besonderes, dass diese Wanderungen mit Konflikten verbunden sind“, sagte Michael Dimor und fügte hinzu: „Sehr unterschiedliche Kulturen lassen sich nicht immer mit Erfolg integrieren. Der 7. Oktober in Israel ist ein schreckliches Beispiel dafür, was Hass anrichten kann. Wäre dieses Ereignis in Deutschland geschehen, wären im Vergleich 15 000 Menschen an einem Tag ermordet worden. Es ist eine Herausforderung an alle Demokratien der Welt, und sie müssen endlich schwere Entscheidungen treffen.“ Nach vielen Wortbeiträgen kamen alle Teilnehmer und Besucher zu entspannten, familiären Gesprächen zusammen.

15.7.2024, Ein bewegender Abend der Begegnung

 

Ein bewegender Abend der Begegnung

Initiativen zur Erinnerung an jüdisches Leben bauen Brücken – Ausländische Gäste loben Arbeit des Förderkreises

Freudige Begegnung: Einige Nachfahren von Vöhler Juden sowie Mitglieder des Förderkreises Synagoge Vöhl beim Begrüßungsabend in Nieder-Werbe. Foto: Hans Peter Osterhold

Vöhl – Einen berührenden Begegnungsabend anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Förderkreises der ehemaligen Synagoge Vöhl erlebten internationale Gäste und Vereinsmitglieder zusammen mit Regierungspräsident Mark Weinmeister am vergangenen Donnerstag.

Im Flair-Hotel in Nieder-Werbe begrüßte der Vorsitzende Karl-Heinz Stadler 15 Gäste, die aus vielen Teilen der Welt, vornehmlich aus den USA und Israel, angereist waren und die jüdische Wurzeln in Vöhl haben, sowie Mitglieder des Fördervereins. Die Arbeit und das Engagement des Förderkreises hat sie alle zusammengeführt, ein internationales Netzwerk geschaffen und bewirkt, dass sich alle emotional mit der Heimat ihrer Vorfahren eng verbunden fühlen, was sie auch im Verlauf des Abends wiederholt eindrücklich zum Ausdruck brachten. Über Jahre sind nicht nur persönliche Kontakte entstanden, sondern tiefe Freundschaften und der Wunsch, sich zumindest gelegentlich an dem Ort wiederzutreffen, der sie mit der Geschichte der eigenen Familie verbindet. Jeder durfte an diesem Abend seinen Wortbeitrag dazu leisten, die meisten in englischer Sprache.

Großfamilie Baird war mit neun Personen aus den USA angereist und hat schon über viele Jahre Kontakt zum Förderkreis. Die Senioren, deren Söhne und die Enkel sind dabei. Steven Baird lobte die großartige Leistung des Förderkreises bei der Aufarbeitung des deutschen Unrechts der Nazizeit. Es gebe keine Nation ohne Schuld. Auch die amerikanische habe bei Sklaven und Indianern große Schuld auf sich geladen, ohne allerdings eine Aufarbeitung zu leisten wie Deutschland: „Wir können von euch lernen“. Ehefrau Carol stimmte ihm zu. Die Großmutter der Gynäkologin wurde in Vöhl geboren und konnte rechtzeitig fliehen. „Das ist heute ein anderes Deutschland“, sagte sie. Sohn Geoffrey war als Kind das erste Mal in Vöhl und studierte danach in Berlin. „Ich fühle mich wie ein Vöhler“, sagte er schmunzelnd. Sein Sohn Flynn studiert in Michigan und macht derzeit ein Praktikum bei Porsche in Stuttgart. „Das ist die beste Zeit in meinem Leben“, ist sein Kommentar, und er plant, nach dem Studium in Deutschland zu leben und zu arbeiten.

Viele Einzelschicksale und Familiengeschichten wurden an diesem Abend ausgetauscht, und manchmal gab es auch ein paar Tränen.

Michael Dimor lebt in Israel und hat vor Jahren in Vöhl das erste Mal etwas über die Hintergründe seiner jüdischen Familie erfahren. „Meine Mutter sprach darüber nicht.“ Er hat ein Buch über die Familiengeschichte geschrieben. Auch andere bestätigen, dass sie oft lange nichts über ihre jüdischen Wurzeln wussten und erst durch die Kontakte nach Vöhl davon erfuhren. Sie sind äußerst dankbar dafür, ihre Vergangenheit verstehen zu können und fühlen eine starke Nähe zu dem Ort und den Menschen – so etwas wie Heimat oder Zuhause.

Regierungspräsident Mark Weinmeister wies auf einige Initiativen von Synagogen und ehemaligen Synagogen in der Region. Ernst Klein aus Volkmarsen betonte die wichtige Funktion dieser Arbeit und auch der des Förderkreises – Brücken zu bauen.

12.7.2024, Eigene Wurzeln entdecken

 

Eigene Wurzeln entdecken

Nachfahren der Familie Salberg besuchen Korbach

Auf den Spuren jüdischer Vorfahren: (von links) Bürgermeister Klaus Friedrich, Christopher Salberg, Christine Salberg, Armorer Wason, Jennifer Salberg, Dr. Marion Lilienthal und Dr. Arnulf Scriba. Foto: Lutz Benseler

Korbach – Sie war unternehmerisch erfolgreich und hatte Einfluss: Die Familie Salberg spielte ab 1859 eine bedeutende Rolle in Korbach. Trotzdem wurden sie wie viele andere jüdische Familien Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Nachfahren von Faist Isaak Salberg (1822 – 1870) haben in dieser Woche Korbach besucht.

Für Armorer Wason aus London, ihre Cousine Christine Salberg aus East Grinstead in West Sussex, ihr Cousin Christopher Salberg aus Yeovil in Somerset und seine Ehefrau Jennifer Salberg war es eine Reise in die Familiengeschichte: An vielen Stellen in der Stadt haben Salbergs ihre Spuren hinterlassen. Die Familie besaß unter anderem einen Baustoffhandel, eine Branntwein-Destillerie, eine Privatbank und mehrere Häuser. 1862 gründete Fais Isaak Salberg die „Corbacher Ringofen-Gesellschaft Salberg Co.“. 1859 bereits erwarb er das Haus Unterstraße 5. Bis zur Einweihung der Korbacher Synagoge im Jahr 1895 befand sich in dem Haus Unterstraße 5 auch ein Raum für den Gottesdienst der Korbacher jüdischen Gemeinde – den er aber auch der katholischen Gemeinde zur Verfügung stellte.

„Faist Isaak Salberg und seine Söhne waren nicht nur im Handels- und Bankwesen tätig, sondern engagierten sich auch gesellschaftlich und trugen wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei“, sagt Dr. Marion Lilienthal. Die Lehrerin an der Alten Landesschule hat intensiv das jüdische Leben in Korbach erforscht.

Salbergs bewahrte indes ihre bedeutende gesellschaftliche Stellung nicht vor der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime: „Einige Familienmitglieder emigrierten, während andere in Konzentrationslagern ermordet wurden“, so Lilienthal.

Die jüdische Herkunft sei in der Familie lange tabu gewesen, berichtet Armorer Wason: Ihr Urgroßvater habe seinen eigenen Kindern erzählt, sie stammten von schwedischen Lutheranern ab. Erst durch eine Korrespondenz mit einem Ahnenforscher in den 1950er Jahren offenbarte sich ihrem Großvater die wahre Geschichte. „Er wollte wahrscheinlich seine Kinder schützen“, versucht Wason die Motivation ihres Urgroßvaters zu deuten.

Bei einem Empfang im Rathaus trugen sich die Gäste ins Goldene Buch der Stadt ein. Museumsleiter Dr. Arnulf Scriba überreichte außerdem einen historischen Backstein, der in der Ziegelei der Familie hergestellt worden war. Bürgermeister Klaus Friedrich übergab den Besuchern Ausdrucke alter Familienfotos aus dem Stadtarchiv und die Kopie einer Anzeige der Ringofen-Gesellschaft, die 1907 in der Corbacher Zeitung erschienen war. Salbergs hatten ihrerseits eine Ausgabe des „Deutschen Künstler-Albums“ mitgebracht, das seit 1878 in Familienbesitz war.

Lilienthal hatte für die Familie Salfeld außerdem ein dreitägiges Besuchsprogramm organisiert. Neben Stadtrundgängen, Besuchen in der Alten Landesschule, dem Museum und der Synagoge in Vöhl gehörte auch eine Fahrt zum Gut Gindfeld bei Medebach dazu, das von 1860 bis 1890 im Familienbesitz war. Armorer Wason: „Wir sind Marion Lilienthal dankbar für die Organisation der Reise und die Recherche.“

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