Vöhl – Sechs Schülerinnen und Schüler haben in der Synagoge Vöhl ihre Ergebnisse des Landkulturbotenprojektes vorgestellt. Während der hessischen Sommerferien waren sie in dem ehemaligen jüdischen Gotteshaus tätig, haben viel geforscht und Besuchern die Räume gezeigt.

Henry Schultz, 16-jähriger Realschüler, hatte sich als Thema das Jahr 1923 ausgesucht. Die durch den Ersten Weltkrieg und Reparationszahlen an die Siegermächte ausgelöste Inflation sei durch den „Ruhrkampf“ – die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen und den durch die deutsche Regierung initiierten Generalstreik der Arbeitenden in Bergwerken und Fabriken – zur Hyperinflation geworden, die das Geld wertlos machte. Als auf Entscheidungen aus Berlin der Widerstand der Bevölkerung beendet wurde und eine Währungsreform mit Erfolg stattfand, gab es Proteste nationalistischer Kreise, die im sogenannten Hitlerputsch mündeten, der jedoch zunächst erfolglos blieb.

Joona Daniel aus Marienhagen, ebenfalls 16 Jahre alt und Realschüler der Ederseeschule in Herzhausen, hatte sich für das Thema „Euthanasie in Waldeck-Frankenberg“ entschieden. Ziel des Tötens insbesondere erblich kranker Menschen sei die Reinerhaltung der arischen Rasse gewesen, im Krieg auch die Tötung arbeitsunfähiger Männer und Frauen. Das 1933 beschlossene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ führte zur Zwangssterilisation von an erblichen Krankheiten leidenden Menschen. 1939 wurde durch Geheimerlass Hitlers die Tötung erbkranker Kinder erlaubt.

Fiona Fransaert aus Marienhagen, die die Mittlere Reife absolviert hat, trug zu „Medizin im Dritten Reich“ vor. Damals sei es um „Volksgesundheit“ und um die Reinheit der „arischen Rasse“ gegangen. Ärzte und Pflegende, die nicht nationalsozialistischen Anforderungen genügten, auch Jüdinnen und Juden, wurden entlassen. Fiona erwähnte die „Braunen Schwestern“, deren Arbeit schwerpunktmäßig bei der Euthanasie, in den von deutschen Soldaten besetzten Gebieten, im Sanitätsdienst während des Krieges und in der Gemeindepflege gelegen habe.

Sophie Wensel aus Vöhl, Schülerin der Alten Landesschule, stellte Breitenau und seine Geschichte vor. Sie hatte einen Podcast erstellt, der demnächst auch auf der Website des Förderkreises publiziert wird. Politische Gegner und Juden wurden dort ab 1933 als „Schutzhäftlinge“ inhaftiert. Die Aufsicht hatten SA- und dann auch SS-Angehörige. Als „Arbeitserziehungslager“ nahm es während des Krieges vor allem auch Zwangsarbeiter auf, auch wegen geringfügigster Verfehlungen. Ausführlich ging Sophie auf das Schicksal von Lille Jahn ein, die als Jüdin und weil sie weiterhin den Doktortitel führte, nach Breitenau kam und dann nach Auschwitz deportiert und dort getötet wurde, obwohl sie mit einem Christen verheiratet war und im christlichen Glauben erzogene Kinder hatte.

„Jugend und Schule im Nationalsozialismus“ war das Thema des Gymnasiasten Elias Räbiger. Das Bildungssystem sei ab 1933 völlig von der NS-Ideologie bestimmt worden. „Rassenkunde“ sei Unterrichtsfach geworden, und auch in allen anderen Fächern seien die Inhalte auch mithilfe propagandistisch geprägter Lehrmaterialien ideologisch gestaltet worden. Politisch unzuverlässige Lehrer wurden entlassen. Elias erwähnte auch Widerstandsgruppen wie die „Weiße Rose“ und die „Edelweißpiraten“, stellte jedoch fest, dass Widerstand überwiegend durch Nonkonfirmität und in manchen Fällen durch die Verweigerung der Mitgliedschaft in den Jugendorganisationen bestanden habe.

Lynn Winter, ebenfalls ALS-Schülerin, stellte das Schicksal der Schwestern Beate und Ida aus der Vöhler jüdischen Familie Frankenthal vor. Inspiriert wurde sie hierfür durch den Besuch von neun Nachfahren von Ida Frankenthal Davidsohn beim Jubiläum des Förderkreises im vergangenen Juli, und da insbesondere durch Gespräche mit Carol Davidsohn Baird, die ihr nach dem Besuch zahlreiche Fotos schickte und Informationen gab.

Die Besucher applaudierten allen sechs Präsentatoren. Die Schüler erhielten Zertifikate, in denen allen eine ausgezeichnete Leistung bescheinigt wurde.

Feierlich umrahmt wurde die Veranstaltung von Sahra Küpfer und Ellen Glotze auf ihren Querflöten.  red