Vöhl – Auch die zweite Veranstaltung der jüdisch-christlichen Dialoge in der Vöhler Synagoge ging als Videokonferenz mit rund 40 Teilnehmern über die Bühne. Unter dem Titel „Shawout Beziehungsweise Pfingsten“ deckten Pfarrer i.R.Heinz Daume aus Hanau und Rabbiner Jehoshua Ahrens aus Darmstadt zahlreiche Parallelen zwischen zentralen Ereignissen der Heilsgeschichte und der Angebote Gottes an die Menschheit auf.

Zur Begrüßung verwies der Vorsitzende des Förderkreises Synagoge in Vöhl, Karl-Heinz Stadtler, auf die ideelle und räumliche Nähe zwischen Christentum und Judentum in Vöhl. Er erteilte aus aktuellem Anlass eine klare Absage an jegliche Form des Antisemitismus, formulierte aber auch Kritik an der Nutzung der Bibel als Grundlage für territoriale Forderungen, Vertreibung oder die Entrechtung von Menschen.

Mehr Frieden in einer besseren Welt war auch das Ergebnis der Spurensuche nach den Grundlagen des Pfingstfestes und oft übersehene Gemeinsamkeiten. Heinz Daume begann mit einer Erinnerung an die eigene Kindheit und der Frage, ob es den Heiligen Geist schon vor Pfingsten gegeben hätte. Eine erste Antwort fand sich schon in der Schöpfungsgeschichte, aber auch ein relativ langes Schweigen. Im Verlauf seines Studiums eröffneten sich dann andere Perspektiven.

Im Gegensatz zum weitverbreiteten Glauben, dass Gott nach der Ausgießung des Heiligen Geistes mit seinem Volk abgeschlossen habe, wurden die jüdischen Traditionen als Grundlagen des Pfingstwunders offenbar. Dabei knüpft das christliche Ereignis nicht nur beim Datum an den jüdischen Feiertag Shawout an, der viele Pilger aus allen Länder nach Jerusalem brachte.

Hintergrund für das 50 Tage nach Pessach gefeierte „Wochenfest“ war ein ganz zentrales Ereignis: die Übergabe der Torah auf dem Sinai (2. Mose, 19).

Dabei weist die Beschreibung der Gotteserfahrung Mose’ durch den jüdisch-hellenistischen Philosophen Philon von Alexandria auffällige Parallelen zum Pfingstwunder auf, gerade bei den visuellen Aspekten wie der Sichtbarkeit der Stimme Gottes, die zur Allgemeinverständlichkeit der Botschaft beigetragen habe. Mit der Einbettung in die jüdischen Tradition sei der Heilige Geist kein Exklusivbesitz der Christen, sondern die Pfingsterfahrung eher eine Erneuerung des Bundes von Gott mit der Menschheit.

Auf seinem Weg durch die Überlieferung zeigte Jehoshua Ahrens schon in der Ära vor Abraham einen ersten Bund Gottes mit der gesamten Menschheit auf. Denn zur Verheißung, nie mehr eine Sintflut zu schicken, gab Gott den Nachfahren Noahs sieben Gebote, die sich inhaltlich weitest gehend mit dem auf dem Berg Sinai verkündeten Dekalog decken.

Vor der Rückkehr ins Gelobte Land habe Gott mit dem Volk Israel einen besonderen Bund geschlossen, die Juden für eine Vorbildfunktion zum Wirken unter der Menschheit auserwählt, aber keine Privilegien im Sinne von Machtbefugnissen erteilt, so der Darmstädter Rabbiner. „Gott will den Pluralismus und dass es unterschiedliche Wege zu ihm gibt“, deutete Ahrens im Sinne der drei großen monotheistischen Religionen die Tradition gegen einen exklusiven Heilsweg.

Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei dem Wirken für eine bessere Welt sei mit den Jahren nicht geringer geworden. „Wir müssen das Wirkungsproblem gemeinsam lösen, damit wir richtige Antworten für alle anbieten können“, betonte Ahrens.