Musik verbindet drei Kontinente

 

Musik verbindet drei Kontinente

Au­ßer­ge­wöhn­li­ches Hör­aben­teu­er – Trio JMO zu Gast in der Vöh­ler Syn­ago­ge

Bei ih­rem Kon­zert in der al­ten Syn­ago­ge über­schritt das Trio Gren­zen zwi­schen tra­di­tio­nel­len und mo­der­nen Klän­gen aus Afri­ka, Eu­ro­pa und dem Ori­ent. Fo­to: bar­ba­ra lie­se

Vöhl – Der Kon­zert­abend in der al­ten Syn­ago­ge be­gann für die schon im Vor­feld be­geis­ter­ten Zu­schau­er zu­nächst auf der Stra­ße.

Mit gu­ter Lau­ne, Bre­zel in der Hand war­te­ten sie auf die Mu­si­ker. Ein Mo­tor­scha­den bei Frank­furt hat­te für Pro­ble­me und ei­ne deut­li­che Ver­spä­tung ge­sorgt. „Wä­re das Team der Syn­ago­ge nicht so hilfs­be­reit und schnell ge­we­sen, hät­ten wir wahr­schein­lich gar nicht spie­len kön­nen. Sie ha­ben sich um­ge­hend ins Au­to ge­setzt, beim Um­la­den und auch hier beim Aus­la­den ge­hol­fen.“ freu­te sich Jan Ga­le­ga Brön­ni­mann, das ‘J’ im Na­men, noch im­mer ein biss­chen atem­los. „Das Vöh­ler Pu­bli­kum ist wirk­lich fan­tas­tisch. Es war so ge­dul­dig und hat uns so nett emp­fan­gen. Wir sa­gen noch ein­mal Dan­ke an al­le.“

Oh­ne Sound­check rich­te­ten sie ih­re Büh­ne ein und leg­ten los. Moussa Cis­sok­ho, das ‘M’ im Na­men, nahm sich Zeit für sein In­stru­ment, die Ko­ra. Mit 22 Sai­ten braucht die tra­di­tio­nel­le afri­ka­ni­sche Steg­har­fe viel Zu­wen­dung. Wäh­rend er kon­zen­triert die Sai­ten stimm­te, nutz­te Om­ri Ha­son, das ‘O’ im Na­men, die Zeit für ei­ne Kost­pro­be an Per­kus­si­ons­in­stru­men­ten und scherz­te „Wenn Moussa sei­ne Har­fe stimmt, nen­nen wir es im­mer Fa­mi­li­en­zu­sam­men­füh­rung. Moussa hat 22 Ge­schwis­ter und je­de Sai­te trägt den Na­men ei­nes Bru­ders oder ei­ner Schwes­ter.“

Naht­los pass­te sich Jan Ga­le­ga Brön­ni­mann mit sei­nem Sa­xo­fon den im­pro­vi­sier­ten Per­cus­sion­klän­gen an, und schlie­ß­lich er­klang auch, per­lend und klar, die Ko­ra.

Von der ers­ten Mi­nu­te an ver­zau­ber­te das Zu­sam­men­spiel der Mu­si­ker aus der Schweiz, Is­ra­el und dem Se­ne­gal das Pu­bli­kum. „Je­der hat ei­nen ei­ge­nen mu­si­ka­li­schen Hin­ter­grund“, er­klär­te Jan Ga­le­ga Brön­ni­mann. „Ich ha­be an ei­ner Mu­sik­hoch­schu­le in der Schweiz stu­diert, Om­ri ist ein Self­made-Mu­si­ker und spielt sei­ne In­stru­men­te vir­tu­os, Moussa hat die strengs­te mu­si­ka­li­sche Aus­bil­dung. Seit Ge­ne­ra­tio­nen ist sei­ne Fa­mi­lie ei­ne Mu­si­ker­fa­mi­lie. Er spielt bei­na­he al­le tra­di­tio­nel­len In­stru­men­te und kann auch tan­zen“.

Ge­tanzt hat Moussa Cis­sok­ho an die­sem Abend nicht. Es war sei­ne Stim­me, die al­le in ih­ren Bann zog. Sein Ge­sang, in den se­ne­ga­le­si­schen Lan­des­spra­chen Man­din­ka oder Wo­lof, bie­tet ein Pot­pour­ri un­ter­schied­lichs­ter Stil­rich­tun­gen. Er schmei­chelt der See­le, wirkt zart und kräf­tig in den Rag­ga­e­klän­gen, so­gar iro­nisch, wenn Moussa Cis­sok­ho ge­konnt ein­zel­ne Ober­tö­ne her­aus­fil­tert und man sie als ge­trenn­te Tö­ne wahr­nimmt. Ob west­lich rhyth­misch, per­kus­siv oder öst­lich lang­sa­mer, ge­tra­ge­ner – mu­si­ka­li­sche Gren­zen kennt das Trio nicht. Fast scheint es, als un­ter­hiel­ten sich Bass­kla­ri­net­te, Per­cus­sion und Ko­ra mit­ein­an­der. Im­pro­vi­siert, oh­ne et­was dem Zu­fall zu über­las­sen.

JMO mach­ten den Abend in der al­ten Syn­ago­ge zu ei­nem au­ßer­ge­wöhn­li­chen Hör­aben­teu­er. Lei­der oh­ne Zu­ga­ben, hung­rig nach ei­ner aben­teu­er­li­chen An­rei­se, muss­te pünkt­lich Schluss ge­macht wer­den.   bl

„Sie haben sich der Unmenschlichkeit angepasst“

 

„Sie haben sich der Unmenschlichkeit angepasst“

In der ehe­ma­li­gen Syn­ago­ge Vöhl be­rich­tet Le­on Wein­traub auch über die Ar­beit der Ka­pos

Nach sei­nem Vor­trag be­ant­wor­tet Le­on Wein­traub in der Vöh­ler Syn­ago­ge noch vie­le Fra­gen und si­gnier­te Bü­cher oder Pla­ka­te. Fo­tos: Bar­ba­ra Lie­se

Ei­nen Tag nach dem Be­such bei den Schü­le­rin­nen und Schü­lern in Kor­bach steht Le­on Wein­traub abends am Pult in der ehe­ma­li­gen Syn­ago­ge Vöhl. Der glei­che An­lass, die glei­che Ge­schich­te, der glei­che Mensch. Und doch ist es an­ders. Er weiß, er trifft auf ein er­fah­re­nes Pu­bli­kum. Es gibt al­so Raum – so­gar für klei­ne Scher­ze, nicht je­des Wort muss ab­ge­wo­gen wer­den. „Ich bin von Stock­holm in zwei klei­ne nord­hes­si­sche Or­te ge­fah­ren, von de­nen ich vor­her noch nie ge­hört hat­te. Es ist ein­drucks­voll. Ich ha­be mit vie­len wun­der­ba­ren Men­schen ge­spro­chen und ste­he jetzt zum ers­ten Mal in ei­ner Syn­ago­ge in ei­nem klei­nen Fach­werk­haus. Ich füh­le mich sehr wohl“, sagt der 97-Jäh­ri­ge.

Wenn er hier von der Wä­sche­rei der Mut­ter er­zählt, dann er­in­nern sich vie­le im Saal, dar­an, wie es war, als die Mut­ter oder Gro­ßmut­ter im hei­ßen Was­ser auf dem har­ten Wasch­brett die Wä­sche rieb. Aus al­ten Er­zäh­lun­gen in der Fa­mi­lie ah­nen sie, was es hei­ßen kann, von Sep­tem­ber 1939 bis April 1945 Hun­ger zu ha­ben. Ei­nen Hun­ger, der un­ab­läs­sig schmerzt. Sie sind ent­setzt, als sie von der Ar­beit der Ka­pos, der Funk­ti­ons­häft­lin­ge, er­fah­ren.

„Als wir in Ausch­witz an­ka­men, hat mir ein Ka­po mei­ne Brief­mar­ken­samm­lung ab­ge­nom­men“, be­rich­tet Le­on Wein­traub „Als ich sie wie­der ha­ben woll­te, sag­te er nur: Die brauchst Du nicht mehr. Du bist nicht hier, um zu le­ben. Im­mer wie­der ha­be ich ge­se­hen und er­lebt, wie die­se Men­schen sich der Un­mensch­lich­keit ih­rer Ar­beit­ge­ber an­pass­ten.“ Er spü­re bis heu­te, dass sein Kör­per sich ver­än­de­re, wenn er dar­an den­ke. Es sei noch ein­mal schlim­mer, von den ei­ge­nen Leu­ten ver­folgt und ge­de­mü­tigt zu wer­den. „Ich hat­te nie ei­ne gro­ße Bin­dung an die jü­di­sche Re­li­gi­on, aber hät­te ich sie ge­habt, in Ausch­witz hät­te ich sie ver­lo­ren.“

„Le­on Wein­traub ist ei­ner der letz­ten Men­schen, der aus ei­ge­ner Er­fah­rung von die­sem dunk­len Ka­pi­tel deut­scher Ge­schich­te be­rich­ten kann“, sagt Va­le­rie van der Kraan aus Fran­ken­au. Sie ist be­ein­druckt. „Es be­rührt sehr, wie er das Grau­en auf die klei­nen Mo­men­te zu­rück­holt. Wie er sich selbst zu­rück­nimmt, kei­ne Schuld zu­weist. Er hat vie­le Jah­re sei­nes Le­bens ver­lo­ren und sich doch sein Le­ben zu­rück­ge­holt und ein neu­es auf­ge­baut.“

As­trid Som­mer und ihr Mann hat­ten ei­nen ganz be­son­de­ren Grund, aus Es­sen zu die­sem Vor­trag an­zu­rei­sen. „Der Va­ter mei­ner Tan­te ist de­por­tiert und er­mor­det wor­den. Sie ha­ben hier in Vöhl in der Nach­bar­schaft der Syn­ago­ge ge­lebt“, er­zäh­len sie. Mit Blick auf den Vor­trag Le­on Wein­traubs be­to­nen sie: „Die ru­hi­ge und sach­li­che Schil­de­rung sei­nes Le­bens hat uns per­sön­lich viel er­klärt. Frei von An­kla­gen er­zählt er, wie es trotz al­lem wei­ter­ging. Er hat­te wohl im­mer die Hoff­nung, wei­ter­ge­hen zu kön­nen. Und wie er sein Le­ben ge­stal­tet hat, ist ein­fach gro­ß­ar­tig. Ge­nau­so gro­ß­ar­tig ist es, dass es Karl-Heinz Stadt­ler ge­lun­gen ist, ihn hier­her zu ho­len in die al­te Syn­ago­ge.“

Er ha­be, so be­tont es Le­on Wein­traub, die Er­eig­nis­se in­zwi­schen ver­ar­bei­tet und ra­tio­na­li­sie­ren kön­nen. Es gä­be kaum ein Er­eig­nis in der Welt­ge­schich­te, das so gründ­lich in Wort und Bild von den Tä­tern, den Über­le­ben­den oder Wis­sen­schaft­lern do­ku­men­tiert wer­de. Je­des Mal aber fal­le nach ei­nem Vor­trag, wenn er sei­ne Pflicht der Er­in­ne­rungs­ar­beit er­füllt ha­be, ge­ra­de auch in Schu­len, ei­ne Last von sei­nen Schul­tern.

Die Zu­hö­rer in der voll be­setz­ten Syn­ago­ge er­in­nert er dar­an, nicht zu ver­ges­sen. „Es wa­ren nicht nur Ein­zel­ne. Es wa­ren Deut­sche. Wir müs­sen ge­mein­sam die Er­in­ne­rung wach­hal­ten.“ Nach ei­nem lan­gen Ap­plaus im Ste­hen be­ant­wor­tet Le­on Wein­traub noch vie­le Fra­gen und si­gniert Bü­cher.  bl

So viel wie möglich erfahren

HNA 25.4.2023

Auf Spurensuche in Altenlotheim unterwegs waren die Schwestern Hella Buchheim und Paulette Buchheim. Hier mit (von links) Frankenaus Erstem Stadtrat Rainer Lange, Ortsvorsteher Heiko Backhaus, Karl-Heinz Stadtler von der Synagoge Vöhl und dem stellvertretenden Ortsvorsteher Jonas Bremmer. Sie stehen vor „Buchtals-Haus“ (jetzt Heidels) am Kirchplatz, in dem jüdische Vorfahren der Amerikanerinnen gelebt haben.

 

So viel wie möglich erfahren

Nachfahren der jüdischen Familie Frankenthal in Altenlotheim

VON SUSANNA BATTEFELD

Altenlotheim — „Wir möchten soweit wie möglich zurückgehen“, sagt Paulette Buchheim, „teilweise bis zu fünf Generationen“. Die 65-jährige Amerikanerin ist derzeit mit ihrer Schwester Hella (70) auf Spurensuche ihrer jüdischen Vorfahren in Deutschland.

"Am Wochenende waren sie auch in Altenlotheim, wo ihre Ururgroßeltern namens Frankenthal gelebt haben. Gemeinsam mit Karl-Heinz Stadtler vom Förderkreis der Vöhler Synagoge — der einen Stammbaum der Familie Frankenthal-Grüneberg ausgedruckt hatte – gingen die Schwestern in Altenlotheim unter anderem zu Buchtals und Itziges Haus, wo Ahnen der Familie Frankenthal gelebt haben.

Ortsvorsteher Heiko Backhaus, der mit seinem Stellvertreter Jonas Bremmer und Frankenaus Erstem Stadtrat Rainer Lange an dem Treffen teilnahm. schenkte den amerikanischen Gästen ein Exemplar der Altenlotheimer Festchronik, die zur 750-Jahr-Feier 2004 erschienen ist. Darin ist ein Kapitel den Juden in Altenlotheim gewidmet. Der inzwischen. Verstorbene Heimatforscher Walter Zarges geht unter anderem auf die Judenhäuser in Altenlotheim um 1930 ein. Demnach lebten im Haus Buchtal die Eheleute Bernhard Strauß und Ida, geborene Reinberg. und damit Vorfahren der Schwestern.

„Es ist immer eine spannende Geschichte, wenn Menschen von weither kommen, um Nachforschungen über ihre Ahnen zu betreiben“, sagte Karl-Heinz Stadtler gegenüber unserer Zeitung. Die Amerikanerinnen seien durch die Homepage der Synagoge Vöhl auf ihn gestoßen und hätten sich bei ihm gemeldet, berichtet der Vorsitzende des Förderkreises. In Vöhl habe er anschließend mit ihnen noch die alte Synagoge den jüdischen Friedhof und die beiden Häuser der Familie Frankenthal besucht.

„Wir wollen so viel wie möglich erfahren über unsere Vorfahren - auch über ihr Leben vor dem Holocaust”, sagt Paulette Buchheim, die in Boston lebt und aktuell eine zweiwöchige Rundreise mit ihrer Schwester unternimmt. Sie habe über Google und Facebook geforscht und „Stücke zusammen-

gesetzt“, berichtet sie.

Das Interessanteste in Deutschland sei für sie, dass Familien über viele Jahre in einem Haus leben, merkt ihre Schwester Hella Buchheim an. „Das ist völlig anders als in Amerika: Wir ziehen alle fünf Jahre um.“

Gedenkstätten erinnern an Gräuel

 

Gedenkstätten erinnern an Gräuel

Ho­lo­caust-Über­le­ben­der be­rich­tet – Vor­trä­ge in Kor­bach und Vöhl

 
Das Mahn­mal am Ein­gang des Wald­la­gers mit den Mas­sen­grä­bern für die Op­fer von Chelm­no. Fo­tos: karl-heinz stadt­ler/pr

Kor­bach/Vöhl – Der da­mals 18-jäh­ri­ge Le­on Wein­traub wur­de mit ei­nem der letz­ten Trans­por­te von Lodz nach Ausch­witz ge­bracht und über­leb­te – mit Glück und auf­grund ei­ner ge­wis­sen Chuz­pe. Heu­te wird Wein­traub in den Be­ruf­li­chen Schu­len in Kor­bach und am mor­gi­gen Frei­tag in der ehe­ma­li­gen Syn­ago­ge Vöhl über sein Le­ben be­rich­ten.

15 Jü­din­nen und Ju­den aus Wal­deck und Fran­ken­berg wur­den im Ok­to­ber 1941 in das Ghet­to Lodz de­por­tiert. Am 20. Ok­to­ber fuhr ein Zug mit mehr als 1100 Ju­den von Frank­furt in den Os­ten. In ihm sa­ßen auch Emil Isaak und sei­ne aus Bad Wil­dun­gen stam­men­de Frau Sa­bi­na, ei­ne ge­bo­re­ne Flörs­heim, sie hat­ten in Lich ge­wohnt. Ob sie in Lodz, in Chelm­no oder in Ausch­witz star­ben, ist un­be­kannt. Leo Neu­hof und sei­ne Frau Ro­sa, geb. Lö­wens­tern, aus Hö­ring­hau­sen stam­mend, wohn­ten in Schlüch­tern. Für Ro­sa nennt das Ge­denk­buch des Bun­des­ar­chivs Lodz als To­des­ort, ein Da­tum ist nicht ver­merkt. Für Ehe­mann Leo gibt es kei­nen Hin­weis, wo er starb. Ju­li­us Flörs­heim, frü­her in Vöhl Leh­rer an der jü­di­schen Schu­le, kam zu­sam­men mit sei­ner Frau Jen­ny und Sohn Kurt im Frank­fur­ter Zug nach Lodz. Sie wur­den in ei­ner ehe­ma­li­gen Schu­le un­ter­ge­bracht, wo Ju­li­us nach Aus­kunft ei­nes Über­le­ben­den be­reits An­fang 1942 an Ent­kräf­tung starb.

Der­sel­be Zeu­ge will Kurt Flörs­heim im Au­gust 1944 in Ausch­witz ge­trof­fen ha­ben. Das Ge­denk­buch des Bun­des­ar­chivs teilt mit, dass Kurt Flörs­heim am 10. Ju­li 1944 in Chelm­no ge­tö­tet wur­de.

Am 22. Ok­to­ber fuhr ein Zug mit 1018 Jü­din­nen und Ju­den von Köln aus nach Lodz. Im Zug saß Jo­han­na Blu­men­thal, die aus Ro­sen­thal stamm­te. Sie starb am 10. April 1942 in Lodz. Drei Ta­ge spä­ter, am 25. Ok­to­ber, star­te­te ein Zug mit 1034 Ju­den von Ham­burg in den War­the­gau. In ihm saß El­se Daltrop, geb. Ba­ruch, aus Volk­mar­sen. Wann und wo sie starb, ist un­be­kannt.

Wei­te­re zwei Ta­ge spä­ter wur­den 1011 Ju­den von Düs­sel­dorf ab­trans­por­tiert. In ihm sa­ßen die aus Adorf stam­men­den Lou­is und Kla­ra Kann, geb. Wei­ler. Sie starb am 11. Mai 1942 in ei­nem Gas­wa­gen im Ver­nich­tungs­la­ger Chelm­no. Für Lou­is ver­merkt das Ge­denk­buch des Bun­des­ar­chivs, er sei im Sep­tem­ber 1942 in Chelm­no er­mor­det wor­den.

Ein letz­ter Zug mit Ju­den aus un­se­rer Re­gi­on fuhr am 30. Ok­to­ber 1941 mit 973 oder 1011 Ju­den (die Quel­len wi­der­spre­chen sich) von Köln nach Lodz. In ihm sa­ßen die aus Arol­sen stam­men­de Gre­te Lö­wen­stein, geb. Ro­sen­thal, so­wie Er­nes­ti­ne, Her­mann und Il­se Schwe­rin aus Men­ge­ring­hau­sen. Gre­te Lö­wen­stein starb wohl im Mai 1942 in Chelm­no, Er­nes­ti­ne Schwe­rin, geb. Rapp, und Toch­ter Il­se im Ju­li 1944 in ei­nem Gas­wa­gen in Chelm­no, Her­mann Schwe­rin am 4. Ju­ni 1942 in Lodz.

Nach­dem die Wehr­macht am 1. Sep­tem­ber 1939 Po­len über­fal­len hat­te, ge­riet die jü­di­sche Be­völ­ke­rung ins Vi­sier. Über das gan­ze Land ver­teilt leb­ten et­wa 3,3 Mil­lio­nen Ju­den. In den gro­ßen Städ­ten wur­den Ghet­tos ein­ge­rich­tet, in de­nen die Ju­den kon­zen­triert wur­den.

Wie im Deut­schen Reich gab es auch in Po­len über­all dort, wo vie­le Ju­den leb­ten, ei­nen „Ju­den­rat“ oder ei­nen Vor­stand der jü­di­schen Ge­mein­den. Die Deut­schen nutz­ten die­se Gre­mi­en zur Durch­set­zung ih­rer Be­feh­le und Maß­nah­men. Am 13. Ok­to­ber er­nann­ten sie Mor­de­chai Chaim Rum­kow­ski zum „Ju­den­äl­tes­ten“. Die an­de­ren Mit­glie­der des Äl­tes­ten­ra­tes wur­den in den nächs­ten Wo­chen ver­haf­tet und er­mor­det.

Am 8. Fe­bru­ar 1940 be­fahl Po­li­zei­prä­si­dent Schä­fer die Ein­rich­tung ei­nes Ghet­tos und den Um­zug der Ju­den dort­hin. Der auf deut­schen Be­fehl ge­grün­de­te jü­di­sche Ord­nungs­dienst as­sis­tier­te der deut­schen Po­li­zei bei der Um­set­zung. Hun­der­te Ju­den wur­den in die­sem Zu­sam­men­hang ge­tö­tet. Am 10. Mai war das Ghet­to voll­stän­dig ab­ge­rie­gelt. Über 160 000 Ju­den leb­ten hier.

Zur „Ger­ma­ni­sie­rung“ des War­the­g­aus ge­hör­te die Um­be­nen­nung der bis­her west­pol­ni­schen Städ­te. Lodz wur­de in „Litz­mann­stadt“ um­be­nannt, wo­mit der ver­stor­be­ne NS-Funk­tio­när Karl Litz­mann ge­ehrt wer­den soll­te. Das Dorf Chelm­no er­hielt den Na­men „Kulm­hof“.

Chelmno: Ermordung im Lastwagen

Ziel der nationalsozialistischen Rassenpolitik war die Vernichtung der Juden. Weil in keinem Land Europas mehr Juden als in Polen lebten, haben die Nationalsozialisten dort ihre Vernichtungslager eingerichtet. Sie entstanden in relativer Nähe zu den Ballungszentren. Das letzte dieser Lager war Treblinka, rund 100 Kilometer nördlich von Warschau. Im östlichen Polen, nahe den Großstädten Lublin, Lemberg (heute Lwow in der Ukraine) und Bialystok wurden gleich zwei dieser Lager, Belzec und Sobibor, 1942 in Betrieb genommen. Auch Auschwitz lag damals im Einzugsbereich vieler Großstädte. Wichtig neben der Zahl der Juden in der Nähe war die Bahnanbindung. Sowohl für den Inlands- wie auch für den Auslandsanschluss waren Bahnlinien wichtig.

Das erste dieser Vernichtungslager allerdings war in Chelmno, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Lodz. Im Dezember 1941 begann die Vernichtung dort. Der Tötungsvorgang war anders als in den anderen Lagern: In einem ehemaligen Herrenhaus wurden die Juden aus den umliegenden Dörfern und Städten in den Keller geführt; sie mussten sich entkleiden und sollten über einen langen Flur zur Reinigung und Desinfizierung unter die Dusche gehen. Am Ende des Flurs allerdings war keine Dusche, sondern eine Treppe, die in einen Lastwagen führte. Wenn die Ladefläche voll war, wurde die Tür des luftundurchlässigen Fahrzeugs geschlossen, der Fahrer kroch unter den Wagen und schloss einen Schlauch vom Auspuff an eine Öffnung an, die direkt in den Wagen führte. Er ließ den Motor an und tötete so die Insassen des Wagens. Dann fuhr er den Lkw in einen nahe gelegenen Wald, wo Arbeitsjuden die Leichen aus dem Wagen holten und in ein vorbereitetes Massengrab warfen.  red

Holocaust-Zeitzeuge Weintraub berichtet

 

Holocaust-Zeitzeuge Weintraub berichtet

97-Jäh­ri­ger kommt am 28. April zu Vor­trag in die Syn­ago­ge Vöhl

Zu dem Vor­trag von Le­on Wein­traub lädt Karl-Heinz Stadt­ler vom För­der­kreis der Syn­ago­ge ein. Fo­to: Ste­fa­nie Rös­ner

Vöhl – Mit Le­on Wein­traub kommt am Frei­tag, 28. April, 19 Uhr, ei­ne ganz be­son­de­re Per­sön­lich­keit nach Vöhl. Der 97-Jäh­ri­ge wird an dem Abend in der Syn­ago­ge aus sei­nem Le­ben be­rich­ten. Sei­ne per­sön­li­che Er­in­ne­rung als jü­di­scher Über­le­ben­der und Zeit­zeu­ge wird den Vor­trag prä­gen.

Wäh­rend ei­ner Bil­dungs­rei­se im ver­gan­ge­nen Jahr lern­te der Vor­sit­zen­de des För­der­krei­ses Syn­ago­ge Vöhl, Karl-Heinz Stadt­ler, im pol­ni­schen Lódz Le­on Wein­traub ken­nen. „Er ist ein geis­tig fit­ter Mann, der mir un­heim­lich im­po­niert hat“, sagt Stadt­ler. So lud er den Zeit­zeu­gen nach Vöhl ein, denn Le­on Wein­traub kommt re­gel­mä­ßig nach Deutsch­land und Po­len und hält Vor­trä­ge. So wird er am kom­men­den Don­ners­tag auch vor Schü­lern des Be­ruf­li­chen Gym­na­si­ums in Kor­bach spre­chen. Le­on Wein­traub hat die Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus bei Be­wusst­sein mit­er­lebt, denn er war da­mals be­reits alt ge­nug, sagt Stadt­ler. 1926 in ei­ner jü­di­schen Fa­mi­lie in Lódz ge­bo­ren, er­leb­te Wein­traub mit 13 Jah­ren den Ein­marsch der Wehr­macht in Po­len. 1940 muss­te er zu­sam­men mit sei­ner Mut­ter und sei­nen Ge­schwis­tern in das Ghet­to Lódz um­sie­deln. Spä­ter wur­de er in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz de­por­tiert und in wei­te­re Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ver­legt. 1945 ge­lang ihm die Flucht. Le­on Wein­traub stu­dier­te nach dem Krieg Me­di­zin und prak­ti­zier­te als Arzt in ei­ner Kli­nik in War­schau. Als in Po­len je­doch die Ju­den­feind­lich­keit zu­nahm, wur­de er ent­las­sen. Er emi­grier­te mit sei­ner Fa­mi­lie nach Schwe­den, wo er noch heu­te lebt. Le­on Wein­traub ge­hört zu den letz­ten jü­di­schen Zeit­zeu­gen, die über die Ver­bre­chen des NS-Re­gimes spre­chen kön­nen.

Der För­der­kreis emp­fiehlt ei­ne Platz­re­ser­vie­rung per Mail: in­fo@​syn​agog​e-​voehl.​de oder über Tel. 05635/1022. Die Platz­kar­ten bis spä­tes­tens 18.30 Uhr ab­ho­len. Ein­tritts­geld wird nicht er­ho­ben, es wird um Spen­den für die Ar­beit des För­der­krei­ses ge­be­ten.  srs

Freiwillig für andere eingesetzt

 

Freiwillig für andere eingesetzt

Daniela Sommer überreicht die Auszeichnung „Du bist Spitze“ an 18 Frauen

„Du bist Spit­ze“: An­läss­lich des Welt­frau­en­ta­ges hat die SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Dr. Da­nie­la Som­mer (vorn, 4. von links) ver­dien­te Frau­en in Bat­ten­berg aus­ge­zeich­net. Oberst a. D. Jür­gen Damm (2. von links) nahm die Aus­zeich­nung stell­ver­tre­tend für die ver­hin­der­te An­drea Drais­bach ent­ge­gen. Fo­to: Tho­mas Hoff­meis­ter

Wal­deck-Fran­ken­berg – „Du bist Spit­ze!“ hei­ßt ei­ne Aus­zeich­nung für eh­ren­amt­lich en­ga­gier­te Frau­en aus Wal­deck-Fran­ken­berg, die die SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Dr. Da­nie­la Som­mer seit 2015 je­des Jahr an­läss­lich des Welt­frau­en­ta­ges ver­gibt. In die­sem Jahr hat­te Da­nie­la Som­mer, zu­sam­men mit der Frau­en­be­auf­trag­ten des Land­krei­ses, Bea­te Fried­rich, der stell­ver­tre­ten­den Kreis­tags­vor­sit­zen­den Iris Ruh­we­del so­wie der frau­en­po­li­ti­schen Spre­che­rin der SPD-Land­tags­frak­ti­on, Na­di­ne Gers­berg, 18 Frau­en aus dem ge­sam­ten Land­kreis zur Eh­rung in das his­to­ri­sche Bat­ten­ber­ger Rat­haus ein­ge­la­den, in dem sich auch das Stadt­mu­se­um be­fin­det. Die eh­ren­amt­li­che Mu­se­ums­lei­te­rin Eli­sa­beth Sku­pin stell­te das Mu­se­um kurz vor.

„Un­se­re Ge­mein­schaft lebt von Men­schen wie Ih­nen“, rief Bat­ten­bergs Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Klein den Frau­en in ei­nem Gruß­wort zu.

Un­ter den 18 Preis­trä­ge­rin­nen wur­den vier Frau­en be­son­ders her­aus­ge­ho­ben. An­drea Drais­bach (Ak­ti­on für be­hin­der­te Men­schen Wal­deck-Fran­ken­berg) und Or­trud Gelb­ke (Ta­fel Fran­ken­berg) er­hiel­ten ne­ben ei­ner Ur­kun­de auch ei­nen Gut­schein für ei­ne Rei­se nach Ber­lin. In die Lan­des­haupt­stadt Wies­ba­den rei­sen dür­fen Bri­git­te Klein (Ver­ein Rück­blen­de – Ge­gen das Ver­ges­sen, Volk­mar­sen) und Chris­tel Eck­hard (Hatz­feld).

„Sie al­le sind Spit­ze!“, be­ton­te Da­nie­la Som­mer in ih­rem Gruß­wort. Es ge­be sehr vie­le Frau­en, die sich ganz selbst­ver­ständ­lich für an­de­re Men­schen ein­setz­ten, oh­ne da­für An­er­ken­nung ein­zu­for­dern. „Sie ma­chen das, weil Sie es ma­chen wol­len“, sag­te Da­nie­la Som­mer. Mit ih­rem En­ga­ge­ment sei­en die ge­ehr­ten Frau­en auch Vor­bil­der für die jün­ge­re Ge­ne­ra­ti­on.

Die Na­men der ge­ehr­ten Frau­en (nicht al­le wa­ren an­we­send): An­drea Drais­bach (Bad Arol­sen) ar­bei­tet seit 2016 in der Ak­ti­on für be­hin­der­te Men­schen Wal­deck-Fran­ken­berg. Sie be­treut un­ter an­de­rem die Home­page und or­ga­ni­siert Kon­zert­ver­an­stal­tun­gen. Für den Ver­ein für be­hin­der­te Men­schen nimmt sie jähr­lich et­wa 40 bis 50 Au­ßen­ter­mi­ne wahr. Or­trud Gelb­ke (Fran­ken­berg) ist Mit­glied im Vor­stand der Ta­fel Fran­ken­berg. Trotz ih­rer 81 Jah­re ist sie seit 2006 zwei­mal in der Wo­che ganz­tags für die Fran­ken­ber­ger Ta­fel ak­tiv. Sie ko­or­di­niert den Ein­satz von 10 bis 12 eh­ren­amt­li­chen Hel­fern, die ge­spen­de­te Le­bens­mit­tel für hilfs­be­dürf­ti­ge Men­schen sor­tie­ren.

Bri­git­te Klein (Volk­mar­sen) ist seit mehr als 50 Jah­ren eh­ren­amt­lich tä­tig, un­ter an­de­rem im Turn­ver­ein Volk­mar­sen. Ge­mein­sam mit ih­rem Ehe­mann Ernst hat sich Bri­git­te Klein seit 1990 in­ten­siv um Kon­takt zu jü­di­schen Ho­lo­caust-Über­le­ben­den und um die Er­in­ne­rungs­ar­beit ge­küm­mert. Un­ter an­de­rem hat­te sie 300 Brie­fe an po­ten­zi­el­le Spon­so­ren ge­schrie­ben und 36 000 DM an Spen­den ein­ge­wor­ben, mit de­nen jü­di­schen Gäs­ten aus al­ler Welt ein Auf­ent­halt in Volk­mar­sen er­mög­licht wor­den war.

Chris­tel Eck­hard (Hatz­feld) war un­ter an­de­rem 16 Jah­re im Vor­stand des Kin­der­freun­de­ver­eins, 12 Jah­re im Vor­stand des TSV Hatz­feld, im Orts­bei­rat so­wie im Hatz­fel­der Stadt­par­la­ment tä­tig.

Für ihr En­ga­ge­ment im Fran­ken­ber­ger Stadt­teil Schreu­fa (un­ter an­de­rem Nuh­ne­gän­se) wur­den An­net­te Dry­lo, Chris­ti­na Böh­le, Jas­min Glar und Il­se Lud­wig aus­ge­zeich­net.

Ger­hild Buß (Fran­ken­berg) ist seit 2009 Vor­sit­zen­de des VdK-Orts­ver­ban­des Fran­ken­berg. Sie ist auch Stadt­füh­re­rin bei den Fran­ken­berg Thea­ter-Stadt­füh­run­gen.

In­ge­borg Kirch­hai­ner (Fran­ken­berg) en­ga­giert sich seit 2013 eh­ren­amt­lich im Treff­punkt. In­ge Meiß­ner (Kor­bach) sam­melt je­des Jahr Weih­nachts­ar­ti­kel, ver­kauft die Ar­ti­kel und spen­det das Geld für die Kin­der­krebs­hil­fe. Bir­git Stadt­ler (Vöhl) en­ga­giert sich, wie ihr Mann Karl-Heinz, für die Syn­ago­ge Vöhl. Auch bei der Part­ner­schafts­ver­ei­ni­gung Vöhl-Mou­chard ist sie seit 35 Jah­ren ak­tiv. Sa­rah Küp­fer (Vöhl) ist im För­der­kreis Syn­ago­ge Vöhl für die Or­ga­ni­sa­ti­on von Ge­denk­ver­an­stal­tun­gen und Kon­zer­ten ver­ant­wort­lich.

Hei­de Schmutz­ler (Bad Wil­dun­gen) hilft Neu­bür­gern aus Russ­land mit Sprach­kur­sen und be­treut ei­nen Se­nio­ren­kreis in Alt­wil­dun­gen. Chris­ta Kurz (Bad Wil­dun­gen) hat Kin­dern über 40 Jah­re kos­ten­los Flö­ten­un­ter­richt ge­ge­ben. Dag­ma Kun­cke (Sach­sen­hau­sen) hat sich stark bei der In­te­gra­ti­on von Flücht­lin­gen ein­ge­bracht und ei­nen Li­te­ra­tur­kreis ge­führt. San­dy Freu­den­stein (Bad Wil­dun­gen) küm­mert sich um die Wal­de­cker Dis­tel­le­rie und hilft im „Worscht­kopp“ mit.

Last but not least wur­de auch Eli­sa­beth Sku­pin aus Bat­ten­berg für ih­re Ar­beit als eh­ren­amt­li­che Lei­te­rin des Bat­ten­ber­ger Stadt­mu­se­ums aus­ge­zeich­net. Ih­re be­son­de­re Auf­merk­sam­keit ge­hört da­bei dem bri­ti­schen Kö­nigs­haus.  off

Vielfältige Klezmer-Musik begeistert

 

Vielfältige Klezmer-Musik begeistert

Helmut Eisel und Birke Falkenroth in Vöhler Synagoge mit Applaus belohnt

„Klez­mer im El­fen­pa­last“: Hel­mut Ei­sel und Bir­ke Fal­ken­roth fas­zi­nier­ten das Pu­bli­kum in der Vöh­ler Syn­ago­ge mit zar­tem Klang­zau­ber. Fo­to: Pe­ter Frit­schi

Vöhl – „Klez­mer im El­fen­pa­last“: Be­reits der Ti­tel des Pro­gramms, mit dem der Kla­ri­net­tist Hel­mut Ei­sel und die Har­fe­nis­tin Bir­ke Fal­ken­roth in der ehe­ma­li­gen Vöh­ler Syn­ago­ge gas­tier­ten, ist ei­ne Her­aus­for­de­rung und zwingt zum Nach­den­ken.

„Klez­mer“ hei­ßt wört­lich aus dem He­bräi­schen über­setzt „Ge­fäß des Lie­des“, und was hat es mit dem „El­fen­pa­last“ auf sich? El­fen sind Na­tur­geis­ter, Fa­bel­we­sen aus der nor­di­schen My­tho­lo­gie. Für die Zu­hö­rer und Zu­hö­re­rin­nen, die ein­tauch­ten in die au­ßer­ge­wöhn­li­che mu­si­ka­li­sche Dar­bie­tung, hat sich ei­ne Ant­wort mit Si­cher­heit er­schlos­sen.

Schon Kö­nig Da­vid spiel­te einst Har­fe, um sei­ne Freun­de und Gäs­te zu un­ter­hal­ten. Da­mit wur­de er zum Vor­bild für al­le Klez­mer-Mu­si­ker. Dem für sei­ne sti­lis­ti­sche Viel­falt be­rühm­ten Welt­klas­se-Kla­ri­net­tis­ten Hel­mut Ei­sel war die Har­fe stets ei­ne ver­lo­cken­de Her­aus­for­de­rung und ist jetzt zu ei­ner fas­zi­nie­ren­den mu­si­ka­li­schen Ent­de­ckung ge­wor­den.

Ge­mein­sam mit der Har­fe­nis­tin Bir­ke Fal­ken­roth schlug er am Sams­tag­abend in bril­lan­ter Wei­se mit dem Kon­zert „Klez­mer im El­fen­pa­last“ wun­der­bar sen­si­ble Pfa­de ein. Von el­fen­zar­ten Klän­gen um­spielt, lies Hel­mut Ei­sel die Kla­ri­net­te in Bal­la­den hin­ge­bungs­voll sin­gen und öff­ne­te die Her­zen der Zu­hö­rer. Das Duo hat­te auch auf­re­gend fet­zi­ge Ti­tel zwi­schen It­amar Freilach (aus dem Jid­di­schen: „der Leb­haf­te, der Fröh­li­che“) und Tan­go der 30er Jah­re im Pro­gramm.

Die ers­ten bei­den Stü­cke wa­ren der Ukrai­ne ge­wid­met. Be­gon­nen wur­de mit ei­ner In­ter­pre­ta­ti­on der Na­tio­nal­hym­ne „Scht­sche Ne Wmer­la Ukra­ji­na“ „Noch ist die Ukrai­ne nicht ge­stor­ben“, es folg­te das tra­di­tio­nel­les Stück „Odes­sa Bul­gar“,, be­ar­bei­tet von Hel­mut Ei­sel. Der er­klär­te da­zu: „Der Bul­gar ist rhyth­misch iden­tisch mit dem „Freilach“ und be­deu­tet „fröh­lich“, und wir wün­schen den Men­schen in Odes­sa, dass sie bald wie­der frei, un­be­schwert und fröh­lich le­ben kön­nen.“

Mit „Pray­er“ ver­schaff­te Ernst Bloch in sei­ner Sui­te „From Je­wish Life“ ei­nen ty­pi­schen jü­di­schen Ge­bets­ge­sang. „Mi Ha‘ish“ ist ei­ne An­leh­nung an Psalm 34 und hei­ßt „Wer ist er“.

Es folg­ten wei­te­re Stü­cke, die Hel­mut Ei­sel ar­ran­giert hat, „Klez­mer im El­fen­pa­last“, „Ron­ja“, Sam­mys „Freilach“, „Ca­fé 1930“, ein his­to­ri­scher Tan­go von As­tor Piaz­zolla, dass all­seits be­kann­te Stück „Pe­ti­te Fleur“ von Sid­ney Be­chet, das Hel­mut Ei­sel, wie er sag­te, von sei­nem 6. Le­bens­jahr mu­si­ka­lisch ge­prägt hat, und zum Ab­schluss „Ba­ro­que Fla­men­co“ von De­bo­rah Hen­son-Co­nant, „Two Si­des of Je­ru­sa­lem“ und Yorams „Freilach“

Die Per­kus­si­on-Ele­men­te der Har­fe, die vor­wie­gend durch au­ßer­halb des me­lo­di­schen und to­na­len Be­reichs lie­gen­de Rhyth­men ge­prägt sind, ha­ben die Luft zum Flir­ren ge­bracht.

So fas­zi­nier­ten Ei­sel und Fal­ken­roth mit be­tö­rend zar­tem Klang­zau­ber und Me­lo­di­en zum Träu­men eben­so wie mit tän­ze­ri­schem Elan, mit vir­tu­os ver­spiel­ten Ton­kas­ka­den und ge­witz­ten Dia­lo­gen.

Die her­vor­ra­gen­de Akus­tik in der Syn­ago­ge trug zu dem mu­si­ka­li­schen Oh­ren­schmaus ent­schei­dend mit bei. Das Pu­bli­kum be­dank­te sich für das dar­ge­brach­te Mu­sik­me­nü mit an­hal­ten­dem to­sen­den Ap­plaus.

Gedenken am Schabbat-Abend

 

Gedenken am Schabbat-Abend

Schülerinnen erinnern in Synagoge mit Musikrojekt an Ermächtigungsgesetz

Lie­der von Mut und Hoff­nung: An den Tag vor 90 Jah­ren, als Hit­ler mit dem „Er­mäch­ti­gungs­ge­setz“ Ge­wal­ten­tei­lung und De­mo­kra­tie in Deutsch­land be­en­de­te, er­in­ner­ten mu­si­ka­lisch Eder­tal­schü­le­rin­nen mit In­itia­to­rin Eve­lyn Frie­sen (3. von rechts) und Mu­sik­leh­re­rin Sa­rah Küp­fer (rechts) in der Vöh­ler Syn­ago­ge. Fo­tos: Karl-Her­mann Völ­ker

Vöhl/Fran­ken­berg – Es war ein be­son­de­rer Schab­bat­abend des Ge­den­kens in der Vöh­ler Syn­ago­ge. „Heu­te vor 90 Jah­ren be­gann ei­ne ver­hee­ren­de Di­men­si­on des Deut­schen Rei­ches, ei­ne Selbst­er­mäch­ti­gung mit dia­bo­li­schen Fol­gen“, er­klär­te Mat­thi­as Mül­ler, Leh­rer an der Fran­ken­ber­ger Eder­tal­schu­le, als er zu Be­ginn Hit­lers „Er­mäch­ti­gungs­ge­setz“ vom 24. März 1933, sei­nen his­to­ri­schen Hin­ter­grund, das letz­te ver­zwei­fel­te Auf­bäu­men des SPD-Ab­ge­ord­ne­ten Ot­to Wels und den be­gin­nen­den NS-Ter­ror in Wal­deck-Fran­ken­berg be­schrieb.

Da­bei nann­te er auch die Na­men von ers­ten po­li­tisch Ver­folg­ten wie Sieg­mund Kat­zen­stein oder Ri­chard Roth­schild in Vöhl, ver­wies auch auf die Mil­lio­nen Op­fer der Sho­ah. „Ich ver­nei­ge mich in De­mut vor ih­nen“, sag­te Mül­ler. Hoff­nungs­voll sah er trotz al­ler ak­tu­el­len For­men von Ge­walt und „Er­mäch­ti­gung“ aber auch ei­ne Kul­tur des Er­in­nerns, wie sie in der al­ten Syn­ago­ge Vöhl ge­pflegt wird, und zi­tier­te am En­de den Aa­rons­se­gen.

Da­zu woll­te Eve­lyn Frie­sen, Schü­le­rin der Eder­tal­schu­le in Fran­ken­berg, im Rah­men ih­rer mu­sik­päd­ago­gi­schen Aus­bil­dung an ei­ner Mu­sik­schu­le in Süd­hes­sen mit ei­nem selbst ent­wi­ckel­ten Mu­sik­pro­jekt und ei­ge­nen Ar­ran­ge­ments ih­ren per­sön­li­chen Bei­trag leis­ten.

Sie ge­wann da­für Mit­schü­le­rin­nen ih­res Gym­na­si­ums so­wie die Mu­sik­leh­re­rin Sa­rah Küp­fer (Quer­flö­te, Sa­xo­fon) und den Mu­sik­leh­rer Mat­thi­as Mül­ler (Kla­vier). Es be­glei­te­ten und un­ter­stütz­ten sie mit sicht­ba­rer Spiel­freu­de Lau­ra Staudt (Quer­flö­te), El­len Glotz (Gei­ge und Quer­flö­te), Jo­sina Schütz (Quer­flö­te), Li­sa Rich­ter (Cel­lo) und Do­ro­thee Schwarz (Quer­flö­te).

Aus­ge­wählt für ihr mu­si­ka­li­sches Ge­den­ken an die Op­fer der NS-Dik­ta­tur hat­te Eve­lyn Frie­sen, die auch durch das Pro­gramm führ­te, be­wusst „kei­ne Kon­zert­stü­cke“. Aber sie woll­te den­noch ver­mit­teln, „dass Mu­sik ver­bin­den und er­in­nern, Mut und Freu­de ma­chen kann“. Es er­klan­gen das me­lan­cho­li­sche The­ma aus „Schind­ler’s List“, das hoff­nungs­vol­le is­rae­li­sche Tra­di­tio­nal „Tree Of Life“ oder Va­ria­tio­nen aus „La Vi­ta è Bel­la“ von Ni­co­la Pio­va­ni, ar­ran­giert von Eve­lyn selbst. In bes­ter, vom Kla­vier an­ge­trie­be­ner Swing­ma­nier ließ das En­sem­ble mit Sän­ge­rin Le­ni Hoff­mann das jid­di­sche Mu­si­cal­stück „Bei mir bist du schön“ auf­strah­len. Das Ghet­to-Lied von Le­jb Ro­sen­thal „Mir le­ben ej­big“ („Wir le­ben ewig, es brennt die Welt“) drück­te aus, was Eve­lyn Frie­sen als Ziel for­mu­liert hat: „Auf dass so et­was nie wie­der pas­siert!“

Fröh­li­che Lie­der von En­geln als Bo­ten des Frie­dens („Shalom Alei­chem“) und Glück („Ma­zel Tov!“) um­rahm­ten am En­de die klei­ne Kid­dusch-Fei­er, bei der Sa­rah Küp­fer nach jü­di­schem Ri­tus ei­nen Be­cher Wein und die Sab­bat­bro­te („Chal­lot“) seg­ne­te und da­mit den Schab­bat er­öff­ne­te. Al­le Kon­zert­gäs­te in der Syn­ago­ge konn­ten dar­an teil­neh­men.

Es gab am En­de lang an­hal­ten­den, herz­li­chen Bei­fall von al­len Be­su­chern und Karl-Heinz Stadt­ler, aber auch von In­itia­to­rin Eve­lyn Frie­sen selbst, die sich mit Ro­sen bei al­len Kol­le­gin­nen für ih­re tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung be­dank­te.

Flamenco passt perfekt zu Finnland

 

Flamenco passt perfekt zu Finnland

Anna Murtola und Joonas Widenius mit überzeugendem Auftritt in Vöhl

Perfekte Harmonie: Das Duo Anna Murtola und Joonas Widenius aus Finnland begeisterte in der Vöhler Synagoge mit ihrer Flamencomusik. Foto: Barbara Liese

Vöhl – „Eine Frage hören wir jeden Tag“. Joonas Widenius schaut von seiner Gitarre hoch und lacht. „Finnland und Flamenco. Passt das zusammen? Egal wo wir sind. Selbst in Finnland sind die Menschen immer noch erstaunt, aber auch neugierig und interessiert, wenn sie hören welche Musik wir machen. Für uns selbst ist der Flamenco längst ein Teil unserer Identität geworden.“

Ursprünglich war der Flamenco-Gesang unbegleitet und nur von Tönen unterstützt, die man mit dem Körper erzeugen kann. Man klatschte in die Hände, stampfte mit den Füßen oder schnipste mit den Fingern. Dann wurde es üblich, die Sängerin mit der Gitarre zu begleiten. Immer mehr aber lösten sich die Flamenco-Gitarristen von dieser reinen Begleitfunktion und entwickelten den Flamenco zu einer virtuosen, eigenständigen Musik.

Seit gut 20 Jahren stehen Anna Murtola und Joonas Widenius gemeinsam auf der Bühne. Von Beginn an spürt der Zuschauer in der Synagoge, dass tiefe musikalische Verständnis der beiden Musiker. Es scheint als seien sie mit ihrem Rhythmus und ihren Interpretationen in einem intensiven musikalischen Dialog und vermieden jedes Klischee.

Nach einem beeindruckenden und hochklassigen Gitarrensolo von Joonas Widenius betritt Anna Murtola die Bühne. Sie trägt ein schwarzes Kleid, ist zurückhaltend geschminkt und füllt mit ihrer Stimme sofort den Raum. Ihre Bewegungen sind klein. Sie hebt ihr Kinn, strafft die Schultern, das Händeklatschen und die typische Fußtechnik, der Zapateo, helfen, im Rhythmus zu bleiben. Sie verlässt sich auf ihre Stimme, die die kleine Synagoge bis in die hinterste Ecke ausfüllt, aber nie überfordert.

Sie singt von Liebe und Kummer, Trauer und Tod, von Vergänglichkeit und Erinnerung, von der Natur und Erinnerungsorten. Zu jedem Song erzählt sie zum besseren Verständnis eine kurze Geschichte. Man muss als Zuhörer nicht alles verstehen, denn in ihrer Stimme spiegelt sich die Mischung all dieser Lebensgefühle.

Die Gitarre bleibt mal im Hintergrund, drängt sich dann nach vorn und übernimmt den Gesang. Es ist die perfekte Kommunikation zweier Künstler, die in der eigentlich fremden Gesangskultur auch ihre eigenen musikalischen Wurzeln wieder finden.

Es gelingt ihnen, traditionelle finnische Lieder mit dem Flamenco zu kombinieren. Ohne die direkte Übersetzung des Originals und mit musikalischer Interpretation entsteht so eine Verbindung zweier unterschiedlicher Kulturen, die sogar die finnische Sprache romantisch und poetisch erscheinen lässt.

Das Publikum in der Synagoge ist begeistert, nimmt neben der Musik des Duos auch das leise „Gespräch“ untereinander mit den Augen, den Gesten, der Körperhaltung und ihrem Lächeln wahr. – Zurück zum Einstieg: „Finnland und Flamenco. Passt das zusammen?“ Diese Frage wird nach dem Konzert niemand mehr stellen. Jeder hat erfahren, es passt perfekt.

Ver­dienst­kreuz für Karl-Heinz Stadt­ler

 

Ver­dienst­kreuz für Karl-Heinz Stadt­ler

Aus­ge­zeich­net: der Vöh­ler Karl-Heinz Stadt­ler. Fo­to: pr

Mit dem Bun­des­ver­dienst­kreuz hat die hes­si­sche Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin An­ge­la Dorn den Vor­sit­zen­den des För­der­krei­ses für die Vöh­ler Syn­ago­ge, Karl-Heinz Stadt­ler, aus­ge­zeich­net. Sie wür­dig­te das En­ga­ge­ment des 70-Jäh­ri­gen bei der Auf­ar­bei­tung na­tio­nal­so­zia­list­scher Ver­bre­chen. Wich­tig ist ihm, an Schick­sa­le jü­di­scher Op­fer zu er­in­nern. Der pen­sio­nier­te Leh­rer war für die SPD lan­ge in der Kom­mu­nal­po­li­tik ak­tiv, er war Par­la­ments­chef und Orts­vor­ste­her in Vöhl.  red

Ein­satz für ge­mein­sa­mes Ge­dächt­nis

 

Ein­satz für ge­mein­sa­mes Ge­dächt­nis

Hei­mat­for­scher Karl-Heinz Stadt­ler aus Vöhl er­hält Bun­des­ver­dienst­kreuz

Freu­de über die ho­he Aus­zeich­nung: Karl-Heinz Stadt­ler er­hielt ges­tern aus den Hän­den von Hes­sens Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin An­ge­la Dorn das Bun­des­ver­dienst­kreuz. Fo­to: Paul Mül­ler

Vöhl/Wies­ba­den – Karl-Heinz Stadt­ler ist so et­was wie das Ge­dächt­nis sei­ner Ge­mein­de: Als Vor­sit­zen­der des För­der­krei­ses Syn­ago­ge in Vöhl lenkt der 70-Jäh­ri­ge den Blick sei­ner Mit­men­schen auf die Le­bens­ge­schich­ten der Jü­din­nen und Ju­den, die einst in Wal­deck-Fran­ken­berg leb­ten, er­forscht ih­re Schick­sa­le und en­ga­giert sich für ihr An­denken.

An­ge­la Dorn, Hes­si­sche Mi­nis­te­rin für Wis­sen­schaft und Kunst, hat Karl-Heinz Stadt­ler am Don­ners­tag für sei­ne her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen für das Ge­mein­wohl das Ver­dienst­kreuz am Ban­de des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land über­reicht. „Im Som­mer 2021 or­ga­ni­sier­te der För­der­kreis um Karl-Heinz Stadt­ler ei­nen Kunst­wett­be­werb mit dem Ti­tel ,Er­in­nern – Wa­chen – Er­le­ben‘. Die­se drei Wor­te fas­sen gut den au­ßer­ge­wöhn­li­chen Ein­satz zu­sam­men, mit dem Herr Stadt­ler die Re­gi­on be­rei­chert“, be­ton­te die Wis­sen­schafts- und Kunst­mi­nis­te­rin.

Er­in­ne­rung, Wach­sam­keit, Mit­den­ken durch in­ten­si­ve Er­leb­nis­se sei­en wich­tig – um nicht zu ver­ges­sen, um ge­gen die Feh­ler zu han­deln, die in der Ver­gan­gen­heit be­gan­gen wur­den. Die Kunst spie­le hier­bei ei­ne wich­ti­ge Rol­le. Sie be­stehe, hal­te fest und ma­che sicht­bar, was in der Er­in­ne­rung manch­mal zu ver­schwin­den oder ver­schlei­ern dro­he.

An­ge­la Dorn wies in die­sem Zu­sam­men­hang auf das En­ga­ge­ment Stadt­lers hin. Der Vöh­ler forscht nicht nur zu den vie­len Schick­sa­len der Jü­din­nen und Ju­den in Wal­deck-Fran­ken­berg und da­mit zu den dun­kels­ten Ka­pi­teln der deut­schen Ge­schich­te. „Er or­ga­ni­siert mit den Mit­glie­dern des För­der­krei­ses auch Kon­zer­te, Aus­stel­lun­gen und Le­sun­gen und er­zeugt so ge­mein­sa­me neue Er­in­ne­run­gen, die wir im Her­zen be­hal­ten“, sag­te Mi­nis­te­rin.

Die­se men­schen­zu­ge­wand­te Phi­lo­so­phie be­glei­te­te und be­glei­te Karl-Heinz Stadt­ler auch bei den vie­len an­de­ren eh­ren­amt­li­chen Ein­sät­zen – zum Bei­spiel in der Flücht­lings­hil­fe, bei sei­ner Ar­beit in der Ge­mein­de­ver­tre­tung und im Sport­ver­ein. „Mit dem Ver­dienst­kreuz am Ban­de des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land eh­ren wir sei­nen un­er­müd­li­chen Ein­satz für un­ser ge­mein­sa­mes Ge­dächt­nis“, sag­te An­ge­la Dorn.

Stadt­ler wur­de 1952 in Fran­ken­berg ge­bo­ren. Er stu­dier­te Ger­ma­nis­tik, Wis­sen­schaft­li­che Po­li­tik und Päd­ago­gik an der Phil­ipps-Uni­ver­si­tät in Mar­burg. An­schlie­ßend ar­bei­te­te er als Leh­rer.

Schon in den 1990er-Jah­ren be­schäf­tig­te Stadt­ler sich mit dem Zu­sam­men­le­ben von Ju­den und Chris­ten vor al­lem in der Ge­mein­de Vöhl, aber auch in der Um­ge­bung. Im Jahr 1999 setz­te er sich für den Er­werb der al­ten Vöh­ler Syn­ago­ge ein und be­glei­te­te die Grün­dung des För­der­krei­ses „Syn­ago­ge in Vöhl“, des­sen Vor­sit­zen­der er ist.

Sei­ne Pro­jek­te füh­ren Men­schen zu­sam­men: So or­ga­ni­sier­te er ein Tref­fen ehe­ma­li­ger Vöh­ler Jü­din­nen und Ju­den, plan­te ei­ne Ver­an­stal­tungs­rei­he zu „Fa­cet­ten des Ras­sis­mus in drei Staf­feln“ und den Kunst­wett­be­werb. Auf der In­ter­net­sei­te der Syn­ago­ge Vöhl trägt er ei­gens re­cher­chier­te ge­schicht­li­che und per­sön­li­che Da­ten zu­sam­men, die die Schick­sa­le der jü­di­schen Be­völ­ke­rung in ein­zig­ar­ti­ger Wei­se do­ku­men­tie­ren. Zu­dem war Stadt­ler Orts­vor­ste­her und Mit­glied der Ge­mein­de­ver­tre­tung in Vöhl. Er gibt Flücht­lin­gen Deutsch­un­ter­richt und en­ga­giert sich in Hei­mat- und Sport­ver­ei­nen.  red/dau

Kon­zer­te, die Kul­tu­ren ver­bin­den

 

Kon­zer­te, die Kul­tu­ren ver­bin­den

För­der­kreis Syn­ago­ge Vöhl prä­sen­tiert sein Jah­res­pro­gramm

 
Das Trio JMO um Jan Ga­le­ga Brön­ni­mann aus der Schweiz, Moussa Cis­sok­ho aus dem Se­ne­gal und Om­ri Ha­son aus Is­ra­el gasiert am 13. Mai in der Vöh­ler Syn­ago­ge. Fo­to: Jan Ocil­ka

Vöhl – Das kul­tu­rel­le Pro­gramm des För­der­krei­ses Syn­ago­ge in Vöhl für die­ses Jahr war­tet auf mit an­spruchs­vol­len Kon­zer­ten, in­ter­es­san­ten Vor­trä­gen, Füh­run­gen, un­ter­halt­sa­men Fil­men und lehr­rei­chen Aus­stel­lun­gen. Ka­rin Kel­ler und Karl-Heinz Stadt­ler vom För­der­kreis ha­ben die Ver­an­stal­tun­gen jetzt vor­ge­stellt. Sie hof­fen auf gu­te Re­so­nanz und freu­en sich auf hoch­ka­rä­ti­ge Künst­ler und di­ver­se Re­fe­ren­ten.

Beim ers­ten Syn­ago­gen­kon­zert in die­sem Jahr wird das Fla­men­coduo An­na Mur­to­la und Joo­nas Wi­de­ni­us aus Finn­land zu er­le­ben sein. Die deutsch-fin­ni­sche Ge­sell­schaft hat sich an den För­der­kreis ge­wandt und das Duo vor­ge­schla­gen, das in Finn­land sehr be­kannt sein soll, be­rich­tet Ka­rin Kel­ler. Am Mitt­woch, 8. März, 19 Uhr, wer­den die vir­tuo­sen Rhyth­men der Fin­nen in der Syn­ago­ge zu hö­ren sein.

Am Sams­tag, 25. März, eben­falls um 19 Uhr, wird „Klez­mer im El­fen­pa­last“ prä­sen­tiert. Die For­ma­ti­on aus Hel­mut Ei­sel, der schon re­gel­mä­ßig in der Syn­ago­ge ge­we­sen ist, an der Kla­ri­net­te und Bir­ke Fal­ken­roth an der Har­fe wird ei­ne be­son­de­re Kom­bi­na­ti­on der bei­den In­stru­men­te auf die Büh­ne brin­gen.

Ein fas­zi­nie­ren­des Zu­sam­men­spiel aus Klän­gen un­ter­schied­li­cher Kul­tu­ren er­war­tet die Zu­schau­er am Sams­tag, 13. Mai, ab 19 Uhr: Das Trio JMO ver­bin­det in sei­nem Kon­zert drei Kon­ti­nen­te mit­ein­an­der. Moussa Cis­sok­ho aus dem Se­ne­gal, Jan Ga­le­ga Brön­ni­mann aus der Schweiz und Om­ri Ha­son aus Is­ra­el wer­den tra­di­tio­nel­le und mo­der­ne Mu­sik aus Afri­ka so­wie aus Eu­ro­pa mit­ein­an­der ver­knüp­fen.

Am Sonn­tag, 11. Ju­ni, ab 15 Uhr tre­ten die „Har­mo­nist:in­nen“ in der Syn­ago­ge auf. Yvon­ne Schmidt-Volk­wein, An­ne Pe­tros­sow, An­ne Wal­precht und Bernd Gei­ers­bach wer­den Lie­der aus dem Re­per­toire der Co­me­di­an Har­mo­nists vor­tra­gen. Zu die­sem Kon­zert ist der Ein­tritt frei. Im Rah­men des Kul­tur­som­mers Nord­hes­sen soll es am Don­ners­tag, 27. Ju­li, 19 Uhr ein Kon­zert in der Syn­ago­ge ge­ben. Die Künst­ler ste­hen noch nicht fest. Die Ri­ver­si­de Jazz Mes­sen­gers wer­den am Sams­tag, 26. Au­gust, 19 Uhr zu ei­ner mu­si­ka­li­schen Rei­se von den Ufern von Ful­da und Eder zum Mis­sis­sip­pi ein­la­den.

Am Sams­tag, 9. Sep­tem­ber, um 19 Uhr wer­den Ma­ria Tho­masch­ke und Ni­ko­lai Or­loff dem Pu­bli­kum ei­nen hei­te­ren Chan­son-Abend bie­ten. Zum Tag des of­fe­nen Denk­mals wer­den die Sän­ge­rin und der Pia­nist ihr Pro­gramm „So nah und doch so fern“ in der Syn­ago­ge zum Bes­ten ge­ben.

Auch die in Vöhl be­kann­ten und be­lieb­ten Künst­ler Paul Ho­orn und Ka­ro­li­na Pe­tro­va wer­den wie­der da­bei sein. Am Sams­tag, 18. No­vem­ber, 19 Uhr wer­den sie mit Pa­blo Go­mez, An­na v. Koch und Ca­pe­lye Co­ra­zon ihr Pro­gramm „Shir ha shirim“ – Cantar de los cant­ares dar­bie­ten. Die Grup­pe ver­bin­det Lie­der aus den jü­di­schen Ghet­tos mit la­tein­ame­ri­ka­ni­scher Mu­sik. Ein­tritts­preis: 25/23 oder 20 Eu­ro.  srs

Ein­tritts­kar­ten zu den an­de­ren Kon­zer­ten sind meist zu 20/18 oder 16 Eu­ro zu er­hal­ten. Schü­ler und Stu­den­ten zah­len vier Eu­ro we­ni­ger. Re­ser­vie­rung bei An­na Evers: Tel. 05635/1022 oder per Mail: in­fo@​syn​agog​e-​voehl.​de.

HO­LO­CAUST-GE­DENK­TAG

 

HO­LO­CAUST-GE­DENK­TAG Auch Min­der­hei­ten wur­den zum Op­ferMord­plä­ne fan­den will­fäh­ri­ge Voll­stre­cker

 
Ein ge­spal­te­ner Dia­bas-Stein als Sym­bol: Die­ses Denk­mal auf dem Fried­hof von Hai­na/Klos­ter wur­de, wie die In­schrift auf den Stein­rän­dern lau­tet, „zur Er­in­ne­rung an die hilf­lo­sen Kran­ken, die in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus 1933-1945 hier star­ben“, im Jahr 1990 auf­ge­rich­tet. „Ihr Tod ist uns Mah­nung und Ver­pflich­tung.“ Im In­nen­hof des Hos­pi­tals wird auf ei­ner Ge­denk­ta­fel der Eu­tha­na­sie-Op­fer ge­dacht. Ar­chiv­Fo­tos: Karl-Her­mann Völ­ker

Wal­deck-Fran­ken­berg – In Er­in­ne­rung an den Tag der Be­frei­ung des NS-Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz am 27. Ja­nu­ar 1945 ge­denkt der Deut­sche Bun­des­tag heu­te ab 10 Uhr im Ple­nar­saal der Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Im be­son­de­ren Blick­punkt ste­hen da­bei in die­sem Jahr Men­schen, die auf­grund ih­rer se­xu­el­len Ori­en­tie­rung oder ge­schlecht­li­chen Iden­ti­tät im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­folgt wur­den.

Zu den ins­ge­samt sechs Mil­lio­nen Er­mor­de­ten, an die der In­ter­na­tio­na­le Ho­lo­caust­ge­denk­tag er­in­nert, ge­hö­ren auch mehr als 800 Ju­den, Sin­ti, Be­hin­der­te und po­li­tisch An­ders­den­ken­de al­lein aus Städ­ten und Ge­mein­den des heu­ti­gen Land­krei­ses Wal­deck-Fran­ken­berg, et­wa 155 von ih­nen ka­men im Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz um. Auch ih­rer wird heu­te im Land­kreis ge­dacht, so ab 18 Uhr in der al­ten Syn­ago­ge Vöhl, wo Schü­ler der Eder­see­schu­le Herz­hau­sen über das Ghet­to The­re­si­en­stadt be­rich­ten. Ab 17 Uhr wer­den dort „Lich­ter ge­gen die Dun­kel­heit“ leuch­ten.

Mit Ver­an­stal­tun­gen, Aus­stel­lun­gen, Buch­pu­bli­ka­tio­nen, ver­leg­ten Stol­per­stei­nen, Mahn­or­ten, Ge­denk­por­ta­len im In­ter­net und Kon­tak­ten zu Nach­fah­ren der Op­fer von deut­scher Ge­walt­herr­schaft hat sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in un­se­rem Kreis ei­ne breit in der Be­völ­ke­rung ver­an­ker­te Ge­denk­kul­tur ent­wi­ckelt. Da­bei gilt be­son­de­re Auf­merk­sam­keit den ver­trie­be­nen und er­mor­de­ten jü­di­schen Bür­gern, die Jahr­hun­der­te lang christ­lich-jü­di­sches Zu­sam­men­le­ben, Ge­sell­schaft und Kul­tur mit­ge­stal­tet ha­ben. Die Bar­ba­rei des in un­se­rer Re­gi­on länd­lich ge­präg­ten NS-Fa­schis­mus, aus­ge­führt von gro­ben SA-Braun­hem­den oder Schreib­tisch-Tä­tern, er­fass­te da­ne­ben aber auch Min­der­hei­ten, an die sel­te­ner ge­dacht wird.

Das vom NS-Re­gime schon 1933 er­las­se­ne „Ge­setz zur Ver­hü­tung erb­kran­ken Nach­wuch­ses“ fand auf un­te­rer Ebe­ne der Ge­sund­heits­äm­ter in sys­tem­treu­en Me­di­zi­nern will­fäh­ri­ge Voll­stre­cker. Un­ter dem Buch­ti­tel „Erb­bio­lo­gi­sche Se­lek­ti­on in Kor­bach 1933-1945“ leg­te da­zu 2014 Dr. Ma­ri­on Li­li­en­thal ei­ne um­fang­rei­che Stu­die mit er­schre­cken­den Er­geb­nis­sen vor: 45 Ein­woh­ner al­lein der Stadt Kor­bach wur­den auf­grund des Ge­set­zes zwangs­ste­ri­li­siert, 27 ju­gend­li­che und er­wach­se­ne Bür­ger und Pa­ti­en­ten fie­len der NS-„Eu­tha­na­sie“ zum Op­fer.

Ge­fürch­tet war, wie Zeit­zeu­gen be­rich­te­ten, der Fran­ken­ber­ger Me­di­zi­nal­rat Dr. Kurt Pe­ters, der sie als An­ge­hö­ri­ge kin­der­rei­cher Fa­mi­li­en ein­be­stell­te und „un­ter­such­te“. Er ord­ne­te Ste­ri­li­sie­run­gen nicht nur an, son­dern ent­schied auch dar­über als Mit­glied des „Erb­ge­sund­heits­ge­richts“. Im De­zem­ber 1939 schlug er ei­ne so­zi­al­schwa­che („aso­zia­le“) Vöh­ler Fa­mi­lie zur Un­ter­brin­gung in ei­nem La­ger, „evtl. KZ“, vor.

Ei­ne durch das Le­bens­hil­fe­werk Wal­deck-Fran­ken­berg 2009 an­ge­sto­ße­ne For­schungs­in­itia­ti­ve er­mit­tel­te, dass in den Krei­sen Wal­deck und Fran­ken­berg ins­ge­samt 500 Bür­ger dem NS-Mas­sen­mord an Kran­ken und Be­hin­der­ten, zy­nisch „Eu­tha­na­sie“ ge­nannt, zum Op­fer fie­len.

Be­hin­der­te ver­schwan­den plötz­lich aus dem Dorf­bild oder wur­den sys­te­ma­tisch aus An­stal­ten wie He­phata oder Hai­na de­por­tiert. An mehr als 400 der Tö­tung preis­ge­ge­be­ne Pa­ti­en­ten er­in­nert heu­te ei­ne Mahn- und Ge­denk­stät­te auf dem Fried­hof Hai­na.

Der so­ge­nann­te „Ausch­witz-Er­lass“ des SS-Reichs­füh­rers Hein­rich Himm­ler vom 16. De­zem­ber 1942 ord­ne­te nach lan­ger Ver­fol­gung die völ­li­ge Ver­nich­tung der im Deut­schen Reich le­ben­den et­wa 500 000 Sin­ti und Ro­ma an. Zu de­nen, die im „Zi­geu­ner­la­ger“ Ausch­witz-Bir­ken­au und an­de­ren Or­ten er­mor­det wur­den, ge­hö­ren bei­spiels­wei­se al­lein aus der Sied­lung Krö­ge, wie Arnd Bött­cher auf sei­nem Bat­ten­berg-Ge­denk­por­tal nach­weist, zwölf An­ge­hö­ri­ge der Fa­mi­lie Klein.

 

Schü­ler er­in­nern an Op­fer

 

Schü­ler er­in­nern an Op­fer

Ge­denk­tag in Syn­ago­ge – Wie Ju­den be­tro­gen wur­den

 
Zum Tag des Ge­den­kens an die Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus: Schü­le­rin­nen und Schü­ler der 9. Re­al­schul­klas­sen der Eder­see­schu­le Herz­hau­sen er­in­ner­ten in der ehe­ma­li­gen Vöh­ler Syn­ago­ge an die Op­fer der Ge­walt­herr­schaft und fei­er­ten die De­mo­kra­tie in Deutsch­land. Fo­tos: Ste­fa­nie Rös­ner

 

Vöhl – Die De­mo­kra­tie, in der wir heu­te le­ben und die Men­schen­rech­te, auf die wir set­zen, sind un­trenn­bar ver­bun­den mit den Leh­ren aus der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Dar­an er­in­ner­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler der 9. Re­al­schul­klas­sen der Eder­see­schu­le Herz­hau­sen in der ehe­ma­li­gen Vöh­ler Syn­ago­ge.

Zum Ge­denk­tag an die Op­fer der Ge­walt­herr­schaft, dem 27. Ja­nu­ar, prä­sen­tier­ten sie in Form von Wort­bei­trä­gen und Bil­dern am Bei­spiel des La­gers The­re­si­en­stadt, wie „das Re­gime Häft­lin­ge und Be­völ­ke­rung be­tro­gen hat“. Gleich­zei­tig woll­ten die Schü­ler die De­mo­kra­tie in Deutsch­land fei­ern.

Leh­rer, El­tern und In­ter­es­sier­te wa­ren ein­ge­la­den, der Prä­sen­ta­ti­on in der Syn­ago­ge bei­zu­woh­nen und zu er­le­ben, was die Schü­ler zu­vor im Un­ter­richt mit ih­rer Leh­re­rin Su­san­ne Ku­bat er­ar­bei­tet hat­ten. Die­se schil­der­ten aus­führ­lich, mit welch hin­ter­häl­ti­gen Me­tho­den die Na­zis Ju­den zum Teil nach The­re­si­en­stadt ge­lockt hat­ten und un­ter wel­chen Um­stän­den die Men­schen dort be­han­delt wur­den oder spä­ter um­ka­men. Das Get­to und Durch­gangs­la­ger The­re­si­en­stadt sei zu­nächst als ein Ge­fäng­nis für „un­er­wünsch­te Per­so­nen“ de­kla­riert und dann zu ei­nem „Vor­zei­ge­la­ger“ der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ent­wi­ckelt wor­den.

844 hes­si­sche Ju­den, dar­un­ter et­li­che aus Wal­deck-Fran­ken­berg, wa­ren am 8. Sep­tem­ber 1942 aus Kas­sel nach The­re­si­en­stadt de­por­tiert wor­den. 207 von ih­nen wur­den di­rekt wei­ter nach Treb­linka de­por­tiert und dort er­mor­det, be­rich­te­ten die Schü­ler, die sich mit je­weils kur­zen Wort­bei­trä­gen ab­wech­sel­ten. 244 die­ser Ju­den wur­den in den Jah­ren 1943 und ‘44 ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger nach Ausch­witz ge­bracht, und nur 70 er­leb­ten 1945 die Be­frei­ung. Die Schü­ler be­rich­te­ten zu­dem über den NS-Pro­pa­gan­da-Film „The­re­si­en­stadt – Der Füh­rer schenkt den Ju­den ei­ne Stadt“, der ei­ne heuch­le­ri­sche In­sze­nie­rung ge­we­sen war.

In ei­nem Ka­pi­tel ih­res Vor­trags be­leuch­te­ten die Schü­ler das The­ma Kin­der in The­re­si­en­stadt, das den Be­su­chern be­son­ders na­he ging. Eben­so gin­gen sie auf die so ge­nann­ten „Heimein­kaufs­ver­trä­ge ein“, die al­ten Leu­ten ein gut um­sorg­tes Le­ben ver­spra­chen, die je­doch vie­len den schnel­len Tod brach­ten. „The­re­si­en­stadt war ei­ne To­des­fal­le“.

Der Vor­sit­zen­de des För­der­krei­ses der Syn­ago­ge, Karl-Heinz Stadt­ler, lob­te die Schü­ler für ih­re gut um­ge­setz­te Prä­sen­ta­ti­on.

Sen­sa­ti­ons­fund bei Bau­ar­bei­ten

 

Sen­sa­ti­ons­fund bei Bau­ar­bei­ten

In Kas­sel sind his­to­ri­sche Do­ku­men­te auf­ge­taucht – auch aus Vöhl

Bei Bau­ar­bei­ten in der Syn­ago­ge – hier der Got­tes­dienst­raum – sind un­be­kann­te Pa­pie­re auf­ge­taucht.

Kas­sel/Vöhl – Die Bau­ar­bei­ten für mehr Si­cher­heit in der Kas­se­ler Syn­ago­ge ha­ben über­ra­schend ei­nen Sen­sa­ti­ons­fund zu­ta­ge ge­för­dert. Er gibt vie­le Fra­gen und Rät­sel auf.

Beim not­wen­di­gen Um- und Aus­räu­men ei­ni­ger Räu­me wur­de in ei­nem un­ge­nutz­ten Wand­schrank ei­nes Schul­raums ein un­be­kann­tes Kon­vo­lut an un­ter­schied­li­chen Ak­ten und Pa­pie­ren ge­fun­den, die jü­di­sche Men­schen aus Nord­hes­sen be­tref­fen, un­ter an­de­rem aus Fran­ken­berg und Vöhl.

Es han­delt sich um zwei Dut­zend Ord­ner mit Un­ter­la­gen, Ori­gi­nal-Do­ku­men­ten von pri­va­ten und städ­ti­schen In­sti­tu­tio­nen aus den Jah­ren des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, De­por­ta­ti­ons- und Eva­ku­ie­rungs­lis­ten so­wie Fra­ge­bö­gen, auf de­nen Ju­den An­ga­ben et­wa über ih­ren Be­sitz ma­chen muss­ten. Die Be­schrif­tung der ge­fun­de­nen Ord­ner weist zu­dem auf Fi­nanz­amts­un­ter­la­gen hin. Ein Teil der Pa­pie­re sind Ori­gi­na­le, ei­ni­ge sind Fo­to­ko­pi­en.

Da­mit nicht ge­nug. Dar­über hin­aus wur­den um­fang­rei­che his­to­ri­sche Do­ku­men­te ge­fun­den wie Grund­buch- und stan­des­amt­li­che Ein­tra­gun­gen, Ak­ten aus Be­hör­den und Ka­tas­ter­äm­tern aus dem 19. Jahr­hun­dert aus den Ort­schaf­ten Fran­ken­berg und Vöhl. Dort hat­te es vor dem Ho­lo­caust gro­ße jü­di­sche Ge­mein­den und Syn­ago­gen ge­ge­ben.

Zu dem rät­sel­haf­ten Fund, zu dem auch aus­ge­schnit­te­ne Zei­tungs­ar­ti­kel aus den frü­hen 1930er-Jah­ren zäh­len, ge­hört au­ßer­dem ei­ne ori­gi­nal per­ga­men­te­ne Bi­bel­rol­le, dem Buch Es­ther.

„Kei­ner wuss­te von den Pa­pie­ren und wir kön­nen nicht sa­gen, wann, wie und war­um sie in die Kas­se­ler Syn­ago­ge ge­langt sind“, sagt Es­ther Haß vom Vor­stand der Kas­se­ler Jü­di­schen Ge­mein­de.

Ei­ne wis­sen­schaft­li­che Be­trach­tung soll nun für mehr Klar­heit sor­gen. Mit ei­ner Spen­de des Kas­se­ler Clubs Sor­op­ti­mist In­ter­na­tio­nal Eli­sa­beth Sel­bert in Hö­he von 2500 Eu­ro sol­len die Ak­ten jetzt ge­si­chert und ih­re Er­for­schung an­ge­scho­ben wer­den. Da­zu wur­de ein Teil des Kon­vo­luts be­reits ins Sa­ra-Nuss­baum-Zen­trum für jü­di­sches Le­ben ge­bracht. „Als ers­tes wer­den wir al­les di­gi­ta­li­sie­ren“, sagt Ele­na Pad­va, Ge­schäfts­füh­re­rin im Nuss­baum-Zen­trum. Und wei­ter: „Dann se­hen wir wei­ter. Es ist auf je­den Fall sehr be­we­gend, Ori­gi­nal-Pa­pie­re in der Hand zu hal­ten, auf de­nen Sa­ra Nuss­baum hand­schrift­li­che An­ga­ben ge­macht hat.“

Sa­ra Nuss­baum (1868-1956) war ei­ne deut­sche Rot-Kreuz-Schwes­ter und Über­le­ben­de des Ho­lo­causts. Im Jahr 1956 wur­de sie zur Eh­ren­bür­ge­rin der Stadt Kas­sel er­nannt und post­hum mit ei­nem Eh­ren­grab ge­ehrt.

Die Prä­si­den­tin des SI-Clubs Eli­sa­beth Sel­bert und Ver­le­ge­rin Re­na­te Mat­thei sagt: „Die­ser sen­sa­tio­nel­le Fund muss nun sorg­fäl­tig auf­ge­ar­bei­tet wer­den, um ihn für die Nach­welt zu er­hal­ten und die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Stadt­ge­schich­te zu er­mög­li­chen.“

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