Vöhl-Marienhagen – Erst Bauernhaus, dann Gastwirtschaft, Hotel und Landschulheim und heute ein Wohnhaus: Das große Fachwerkhaus im Schulweg in Marienhagen hat eine wechselvolle Geschichte, die seit Kurzem an einer Tafel an der Fassade nachzulesen ist.

Erster Eigentümer war die jüdische Familie Kratzenstein, die um 1800 nach Marienhagen gezogen war. Dr. Heinrich Knoche vom Förderkreis Synagoge Vöhl hat in Archiven und alten Gerichtsunterlagen nachgeforscht und die Geschichte des Hauses und deren Bewohner akribisch recherchiert.

Bis 1935 war das Haus im Besitz der Familie Kratzenstein, dann wurde es an zwei Holländer im Tausch gegen zwei Häuser in den Niederlanden übertragen. Nach dem Krieg versuchten Nachkommen der Familie Kratzenstein, das Haus per Gerichtsbeschluss zurück zu bekommen, was aber nicht gelang.

1981 erwarb der „Schullandheim-Verein Marienhagen des Gymnasiums Stadtmitte und des Reinhard-und- Max-Mannesmann-Gymnasiums Duisburg“ das Haus und 1997 ging es in Privatbesitz über. Seit 2016 besitzt Nick Albrecht das beeindruckende Gebäude, das mit den symmetrisch angeordneten Holzbalken, -riegeln und -streben und ausgeputzten Lehmgefachen schon von Weitem auffällt. Auch mit Nick Albrechts Hilfe war es möglich, die Geschichte des alten jüdischen Hauses zu recherchieren und aufzuschreiben.

Eine Haustafel, initiiert von dem Förderkreis „Synagoge Vöhl“ und finanziert vom Landkreis Waldeck-Frankenberg, erinnert nun vor Ort an diese „Haus-Geschichte“ und das Schicksal der Bewohner. Sie wurde am vergangenen Samstag in einer Feierstunde übergeben.

Heinrich Knoche berichtete von der Geschichte des Hauses und der Bewohnerinnen und Bewohner, die in die Dorfgemeinschaft integriert waren und nach ihrem Wegzug von Marienhagen bis auf wenige Überlebende alle in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten umgebracht wurden.

Der Förderkreis sieht die Tafel an dem Haus in Marienhagen und auch mehrere weitere in Vöhl als Signal gegen das Vergessen. Pfarrer Jan Friedrich Eisenberg hob die Bedeutung der Tafel hervor: „hinzusehen, zu erinnern und zu mahnen“ für den Frieden. Bürgermeister Karsten Kalhöfer betonte, dass es die Menschen sind, die die Geschichte der Häuser schrieben, und mahnte zur Verantwortung hier und jetzt.

Entworfen und umgesetzt hat die Steintafel Christian Schnatz aus Dorfitter, der schon mehrere Erinnerungstafeln und Stehlen für den Förderverein gefertigt hat. Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde vom Posaunenchor Marienhagen.