6.7.2016, Maria Thomaschke, Blicke in Fenster der Nachbarn

Blicke in Fenster der Nachbarn

Fein nuanciert und ganz persönlich: Maria Thomaschke in der Vöhler Synagoge. Foto: Hennig

Von Armin Hennig

Vöhl. Im Verlauf des abwechslungsreichen Abends kam es zu vielen Aha-Erlebnissen im besten Sinne des Wortes. Ob Hanns Eisler, Georg Kreisler, Hermann van Veen oder Kurt Weill – viele vermeintlich vertraute Klassiker des Genres klangen in der Gestaltung durch die Mezzosopranistin, die sich auch darstellerisch als Ausnahmekünstlerin erwies, erfrischend neu und ganz persönlich.

Erwachsen werden

Zum Auftakt war die „Manege leer“, das Publikum sollte in den Spiegel sehen und die eigenen Schwächen erkennen. Dabei stellte die Diseuse ein breites Bestiarium der menschlichen Eigenheiten vor, ehe ein Brand die düstersten Seiten der Erwachsenen zum Vorschein bringt. „Werd’ erst einmal erwachsen wie wir“, antwortet die Mutter auf die Fragen ihres Kindes, das verständnislos auf seinem Klappstuhl sitzen geblieben ist. Eine knappe, bitterböse Pointe zur dramatischen Eröffnung.

Im bunten Kaleidoskop der musikalischen Rundgangs durch die Nachbarschaft mit bezeichnenden Blicken in die Fenster ging es heiter bis hasslieblich zu, aber fein nuanciert und bis ins kleinste Detail ausdifferenziert. Begleiter Nikolai Orloff erwies sich dabei als kongenialer Partner, der mit ein paar subtilen Tangotakten das Titelstück einleitete und dem musikalischen Humor von Georg Kreislers Sympathiebezeugung für unorthodoxes Verhalten auf den Tasten klar zum Ausdruck brachte.

Absolut atemberaubend geriet die dynamische Steigerungskurve des Duos bei „Wie ein Mühlrad im Wind“, das als vermeintlich lyrische Perle begann, ehe erst kaum merklich, dann immer mächtiger die Energien der Naturgewalten in die Interpretation des Liedes hinein spielten. Die negative Gefühlskurve von der Schwärmerei für einen Seemann bis zum Umschlag in den Hass aus Enttäuschung über vergebliche Gefühle geriet zum großen Seelendrama.

Kontrastprogramm

Die Pantomime „Du schweigst“ über ein Paar, das beim Auspacken der Ikea-Möbel nicht so recht vorankommt, geriet zum gegenwartsnahen heiteren Kontrastprogramm nach so viel Leidenschaft. Überzeitlich komisch der anschließende Blick in den Spiegel als Auftakt zur Auseinandersetzung zwischen weiblichem Selbstbild und unpassendem Körper, die in der Feststellung „Ich bin weiblich, er ist männlich, was weiß ein Mann schon von der Frau?“ gipfelt.

Die finstere Flüsterpropaganda gegen die Hexe im Haus mit der Aufforderung zur Gewalt gegen die alte Außenseiterin sorgte dann noch einmal für Gänsehautstimmung bei den Zuhörern.

 
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